Superdaddy: Roman (German Edition)
Marienkrankenhaus, Viertel vor eins an Lunas Bett. Aber schon da hatte es sich anders angefühlt. Weil die Schwestern meinen Auftritt im Fernsehen verfolgt hatten und mich als Held begrüßten. Und das war nur der Prolog zu dem Sturm der Verehrung, der am nächsten Morgen losbrach: Begeisterte Berichte von BILD bis stern , Briefe, Mails, Interviews und Talkshows, selbst die Familienministerin lud mich zu einem PR-Termin ein. Fehlte nur noch der Friedenspreis des deutschen Buchhandels.
Der einzige Mensch auf der ganzen Welt, der mich kritisierte, war meine Frau. Charlotte fand meine Aktion einfach nur unsäglich albern, melodramatisch und unprofessionell. Was hatte Cäsars Frau zu ihm gesagt, nachdem er Gallien erobert hatte? Dein Deo hat versagt.
Und dann meldete sich Frau LaGuardia, meine Vorgesetzte, die Programmchefin von ProSechs, und lud mich zu einem Gespräch nach München ein. Zusammen mit Ines. Sie verriet nicht, warum. Sie bestand nur auf dem Termin, der für mich sehr ungünstig lag. Irgendetwas wollte sie, ganz dringend. Nur was?
»Wie machen Sie das bloß?«
Antonia LaGuardia saß mir gegenüber, allein auf einem schwarzen Ledersofa, und sah mir direkt ins Gesicht. Sie hatte pechschwarze Haare, grüne Augen und klar herausgemeißelte Gesichtszüge, die sie durch ihr Make-up noch verstärkte. Sie kam aus Frankfurt, mit italienischem Vater, hatte in London, Rom und in den Staaten gearbeitet und sprach sechs Sprachen fließend. Dabei war sie nur ein Jahr älter als ich. Schon das ließ mich in die Knie gehen. Ich hätte außerhalb Deutschlands nicht mal als Kanalreiniger arbeiten können, bei meinen dürftigen Englischkenntnissen. Der Gott der deutschen Fernsehunterhaltung saß auf dem schwarzen Sofa rechts von uns, und direkt neben mir saß Ines, die an ihren Nägeln knibbelte. Seit ich die Sendung verlassen hatte, knibbelte sie andauernd an den Nägeln und hatte wieder abgenommen. Irgendetwas war zerbrochen, auch wenn sie sich das nicht anmerken lassen wollte.
»Meine orientalische Nudelsuppe?«, fragte ich.
»Nein, dass man Ihnen alles verzeiht. Das war ja wohl die erfolgreichste PR-Aktion der letzten Monate.«
Der Gott der deutschen Fernsehunterhaltung, der bislang nur unruhig dagesessen und geschwiegen hatte, schüttelte begeistert den fast kahlgeschorenen Kopf. »Mann, Mann, Mann!« Er bleckte sein großes, weißes Gebiss. »Das bringst auch nur du. Was für ’ne arschcoole Nummer, Philipp, einfach abzuhauen. Mann, Mann!«
Dabei hatte sich Luna nicht mal was gebrochen. Weder Arme noch Beine noch Rippen. Sie hatte den fotogenen Kopfverband eines Irakveteranen getragen, aber nur Nasenbluten gehabt. Plus ein paar Schürfwunden und Prellungen. Aber solche Details hatten die Presse nicht interessiert: Super, Superdaddy – Nicht ohne meine Tochter – Solche Männer braucht das Land – Go, Daddy, Go!
»Die Leute sind ja schier ausgeflippt!«, plapperte Ines los, klappte ihren Laptop auf und begann, aus den Mails der gerührten Fans vorzulesen: Ich musste vor dem Bildschirm weinen, denn so einen Papa habe ich mir immer gewünscht. Deshalb habe ich Ihnen auch etwas gebastelt. Leserbriefschreiben war schon ein Hobby für Kretins. Wie erst Briefe an fremde Promis. Die überdies nur nachbrabbelten, was alle Kommentatoren in die Medienblase gepustet hatten: dass dies ein großer Moment gewesen sei. Weil er deutlich gemacht habe, dass das Maß der Dinge nicht Einschaltquoten, Werbeeinnahmen und Sendeminuten sind. Sondern die eigenen Kinder. Und ich musste zugeben, ich fand es besser, damit in die Fernsehgeschichte einzugehen als mit fünfundzwanzig Radiergummis im Mund.
»Aber wir alle hier«, sagte LaGuardia, »wissen ja noch etwas anderes.« Sie nahm sich ein Fläschchen San Pellegrino, goss sich etwas in ihr Glas mit dem langen Stiel, nippte daran und lehnte sich zurück. »Nämlich den wahren Grund Ihrer Flucht.« Sie nahm das Glas, behielt es länger am Mund und trank sehr langsam daraus, während sie mich ansah.
»Na ja, das sind ja nur Spekulationen«, sagte Gott und drehte den Kopf linkisch zu ihr.
Ines betrachtete schweigend ihre geröteten Nagelbetten.
»Sie glauben, ich sei gegangen, weil ich die Nummer kürzen sollte?«
LaGuardia drehte das große Leonardo-Glas an seinem Stiel einmal langsam um sich selbst. »Etwa nicht?« Sie lächelte noch. Dabei war der Krieg schon erklärt.
»Nein. Ich konnte einfach nach dieser SMS keine lustige Nummer mehr spielen.«
»Und das ist doch auch
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