Superdaddy: Roman (German Edition)
alles, was ich aufbaue! Aus dem Nichts. Und mit bestem Gewissen. Und sogar aus bestem Gewissen. Deshalb ist dir ja nicht beizukommen. Der Vater, der Supervater, der Übervater, der gute Mensch von Sezuan! Wie mich das ankotzt, dieses Familiengehuber.«
Nein, die Befürchtung hatte sich erübrigt. Verliebt hätte anders geklungen. Solche Gefühle kannte sie gar nicht. Für sie gab es den Beruf und dann lange nichts. Und dann immer noch nichts. Das war für sie das Leben.
»Es tut mir leid, dass du keine Kinder hast, Ines.«
»Was soll denn der Scheiß?« Ihr Blick war vernichtend. Das war eine andere Ines. Eine, die ich noch nicht kannte. Die Zeit des Gesäusels war vorbei.
»Du hast einfach keine Ahnung, was es bedeutet, drei Kinder zu haben.«
Sie breitete ironisch die Arme aus. »Na, warum wirst du dann nicht einfach Hausmann, verdammte Kiste? Das wäre wenigstens konsequent.« Sie beugte sich vor und fuchtelte mit den Armen. »Du bist der unprofessionellste Mensch der Welt. Und auch noch stolz darauf. Du willst keinen Erfolg! Das Schicksal schmeißt dir den Erfolg hinterher, und du trittst es mit Füßen. Nein, ich werfe dir den Erfolg hinterher! Und mich trittst du mit Füßen!«
Was für eine Logik. Ich hatte Ines mit Füßen getreten, indem ich meine Tochter im Krankenhaus besucht hatte. Wir passten wirklich nicht zusammen. Ich sollte ihr dankbar sein, dass es aus war mit uns.
»Sag mal, Ines, hast du eigentlich keinen der Leitartikel über mich gelesen aus deinem Aktenordner da?«
»Na toll, Superdaddy. Applaus!« Sie wurde lauter und lauter. »Aber die müssen ja alle nicht mit dir zusammenarbeiten! Das geht nämlich auch gar nicht! Wie denn auch?«
»Und deswegen lässt du mich fallen, ohne es mir zu sagen?«
»Nein, DU hast mich fallenlassen!« Ihre Stimme überschlug sich. Und ich war sicher, dass LaGuardia am anderen Ende des Ganges jedes Wort verstand. Und sich so sehr totlachte, dass sie das San-Pellegrino-Wasser wieder ausprustete. »DU hast dich entschieden, als du aus der Sendung marschiert bist. DU hast dich gegen deinen Beruf entschieden und damit gegen mich. DU warst es, Philipp. DU hast dich getrennt!«
Gleich würde sie mich erwürgen. Mir blieb auch so schon die Luft weg.
»Ines, ich hab meine kranke Tochter besucht.«
»Und das hättest du auch drei Minuten später tun können! Genauer gesagt: Zwei Minuten dreißig!« Sie trat gegen einen Konferenzstuhl, der sich einen Moment in der Luft hielt und dann umfiel. »Du hast dein Versprechen gebrochen, das ist doch der Punkt!«
»Hä?«
Sie seufzte schwer. Und wurde auf einmal wieder ganz leise. »Ein Vertrag, Philipp, ein Vertrag ist ein Versprechen. Von zwei Personen. Von zweien, verstehst du? Und ich habe meinen Teil immer gehalten. Der Sender auch. Hotte auch. Das Publikum auch. Und du? Philipp Kirschbaum Superdaddy Vahrenholz?«
Ich nicht. Sie hatte recht. Hatte sie wirklich recht?
»Ich bin keine Maschine, Ines.«
»ICH AUCH NICHT!« Sie trat einen ganzen Tisch um, der polternd zu Boden ging und drei Stühle mit sich riss. Sie zitterte am ganzen Körper. Und in diesem Moment verstand ich. Ich begriff vielleicht zum ersten Mal, was in Ines Meyer vor sich ging. Dass sie mich doch geliebt hatte, auf ihre verquere Art. Und immer noch liebte. Dass sie eine Kämpferin war. Im Gegensatz zu mir. Und dass sie ganz bestimmt jedes einzelne der 33,33 Prozent wert war, die sie verlangte.
»Meine Güte, wie schön hätte das alles sein können! Wie schön! Wenn du dich einmal zusammengerissen hättest. Aber das bringst du ja nicht. Glaubst du, ich mache das gerne, eine Abfindung für dich raushandeln?«
Ich begriff noch mehr. Ja, es machte mich glücklich, einen Saal mit achthundert Leuten zum Ausrasten zu bringen, ganz alleine. Es machte mich auch glücklich, die Kandidaten meiner Sendung durch zehn Aufgaben zu jagen und damit Millionen Zuschauer darüber nachdenken zu lassen, was einen guten Vater ausmacht. Und dennoch war ich nicht der Richtige für diesen Job. Es passte einfach nicht zusammen. Wer Monat für Monat den Superdaddy kürte, durfte einfach kein Loserdaddy sein.
Jemand öffnete sehr vorsichtig die Tür und steckte den Kopf herein. »Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«
Ich erkannte ihn nicht sofort. Es war der Chef von ProSechs.
7
»Philipp, es ist doch Wahnsinn. Die Freiheitsstaue ist eine Frau. Die Hymne dazu hat eine Frau verfasst, Emma Lazarus, eine jüdische Emigrantin aus Polen. Und wer war auf der
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