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Supernova

Supernova

Titel: Supernova Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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Wiederverwertern nicht zum Fraß
vorwerfen. Sie können Ihre Gedanken und Gefühle frei
herauslassen, das macht mir nichts aus. Sie dürfen mich sogar
anschreien. Wissen Sie noch, was ich bei früherer Gelegenheit
gesagt habe?«
    »Sie…« Seine Finger spannten sich um das Glas.
Einen verzweifelten Moment lang dachte er daran, das Glas zu
zerquetschen und ihr damit an die Kehle zu gehen, aber gleich darauf
wurde ihm seine wirkliche Lage schlagartig bewusst. »Was
soll’s?«, erwiderte er. »Was ich sage oder nicht sage,
spielt sowieso keine Rolle. Sie würden mir eh nicht glauben,
würde ich irgendetwas abstreiten.«
    »Also dann!« Dass sie lächelte, brachte ihn in Wut,
insbesondere deswegen, weil sie dabei völlig aufrichtig wirkte.
Während sie fröhlich und glücklich aussah, sagten ihm
Trauer und Neid, dass kein Mensch je wieder das Recht haben
sollte, so auszusehen – jetzt, da Erica tot war. Zwar war ihm
klar, dass seine Drüsen aus ihm sprachen und auch das irgendwann
vorbeigehen würde, trotzdem stachelte dieses Lächeln ihn
auf. »Ich habe ein Problem«, fuhr sie fort, als sei alles
in bester Ordnung, und strich sich durch den hauchdünnen
Seidenstoff über das rechte Knie. »Demnächst werden
wir losziehen, um die noch ausstehenden Dinge zu erledigen. Falls wir
Erfolg haben, sind uns nach oben hin keine Grenzen gesetzt. Nicht nur
wird jeder in dieser Einheit rehabilitiert werden, ich selbst werde
auch… Nun ja, die Beförderung ist dabei nicht das
Wichtigste.«
    Mit verschwörerischer Miene beugte sie sich zu ihm
hinüber. »Auf den höheren Ebenen, Franz, sieht die
Sache ein wenig anders aus. Nicht entschuldbare Verstöße
gegen die Disziplin werden dort zu verständlichen
persönlichen Irrtümern. Und die Wiederverwerter zu
Landschaftspflegern, die Aufträge befolgen; sie sind dort nicht
die Herren, sondern Diener. Es ist sogar sehr gut möglich, dass
auf dieser Ebene dienstliche Anweisungen zur Vernichtung von Leben
rückgängig gemacht werden können.«
    Er befeuchtete seine Lippen. »Rückgängig?«
    »Ich habe U. Biofelds Zustandsvektor bislang noch nicht an
die Wiederverwerter weitergeleitet«, sagte sie leise, als sei
ihr das gerade erst eingefallen. »Wir haben keinen
Wiederverwerter bei uns, deshalb trage ich selbst die Verantwortung
für die Aufzeichnungen des Lebens und für das
Gedächtnis, das in einem Diamanten gespeichert ist. Dies alles
wird den Wiederverwertern erst nach Beendigung unserer Mission
übergeben. Und ich habe Gewebeproben zurückbehalten.«
Nachdenklich fuhr sie fort: »Das einzige komplette Upload-Image
ihres Gehirns existiert momentan nur hier, an Bord dieses Schiffes.
Und es muss nicht unbedingt bei den Wiederverwertern landen, falls
sich eine akzeptable Alternative anbietet. Was ich damit tue, ist
noch offen. Ich verfüge hier nur über wenig Personal –
Sie hatten Recht damit, dass Sie für Ihre Mission sträflich
wenig Unterstützung bekommen haben. U. Scott hat sein
Personalverzeichnis systematisch geschönt, nach oben frisiert
und gleichzeitig Leute von Ihrer Gruppe für andere Aufträge
abgezogen. Er hat doppelte Buchführung betrieben. Ich habe nicht
genügend Stabsleute mitgebracht und habe noch weniger Leute, die
diese barbarischen Menschen hier draußen verstehen. Ich brauche
jemanden, der als meine rechte Hand agiert, während Bayreuth den
Laden zu Hause schmeißt.«
    Vertrauensvoll beugte sie sich näher und griff nach seiner
linken Hand. »Falls wir Erfolg haben, kann ich sie Ihnen
zurückgeben, Franz. An Bord meines Versorgungsschiffes, der
CG-52, befindet sich ein Lazarett mit medizinischem Replikator. Die
Prozedur ist teuer und widerspricht dem normalen Verfahren, aber man
kann dort einen neuen Körper für Erica klonen und sie
darauf herunterladen. Sie können sie wiederhaben, falls Sie es
wirklich möchten. Solange Sie bereit sind, gewisse Dinge
für mich zu tun.«
    »Dinge?« Angezogen von ihrer entsetzlichen Willenskraft
und der irrwitzigen Hoffnung, die sie in ihm geweckt hatte, gab er
einen Bruchteil seiner Abwehr auf. Erica zurückholen? Als
Gegenleistung für… was? Er war so sehr zwischen Angst
und Hoffnung hin und her gerissen, dass sein Magen rebellierte.
    »Es geht nicht um solche Aufträge, wie ich sie auch
irgendeinem normalen Untergebenen anvertrauen kann. Diese
Aufträge kann nur jemand erledigen, der einige Jahre unter den
Barbaren gelebt hat.«
    »Was sind das für Aufträge?«
    Sie nahm seine Hand und legte sie sich auf den

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