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Supernova

Supernova

Titel: Supernova Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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überheblich: Er taufte den
Monat Januar auf den eigenen Namen und veränderte auch den
übrigen Kalender, bis auf die Monate November und Dezember.
(Beispielsweise bekam seine Schwiegermutter aus welchem Grund auch
immer den August.) Allerdings wurde er gegen Ende hin zum Einsiedler,
der sich selten vor die hohen Eisentore des Präsidentenpalastes
traute. Dort hatte er über einer endlosen Party präsidiert
und seine Gäste mit Feuerschluckern, Ringern,
Stammestänzern, den Drag Queens der Transvestiten und
Prostituierten versorgt, während Zwerge Silbertabletts voller
Kokain auf den Köpfen balancierten. Sie streiften damit durch
die Gänge, um sicherzustellen, dass sich all seine
Schützlinge auch wirklich amüsierten. Fast erübrigt es
sich zu erwähnen, dass auf den Palasttoren die verwesenden
Schädel all jener Heeresoffiziere und PORR-Delegierten
aufgespießt waren, die in so grundsätzlichen politischen
Fragen wie der Notwendigkeit, das Volk zu ernähren, anderer
Meinung als der Generaloberst waren.
    Während der unvermeidlichen Revolution – die
schließlich vor vier Jahren als Folge des Moskauer Skandals
eintrat – wurde Palacky aus seinem Privatflugzeug, einem
Schwingenflügler, geworfen und eine eher pragmatisch
eingestellte Junta von zänkischen, aber nicht völlig
durchgeknallten Apparatschiks der PORR eingesetzt. Auf diese Weise
wurde für jeden PORRler ein Exempel statuiert, das besagte, dass
es schlechter Benimm sei, den ganzen Schweinetrog für sich
allein zu beanspruchen.
    Soweit zur Schattenseite von Neu-Dresden. Die hellere besteht
darin, dass sie dort nicht so gnadenlos reaktionär sind wie auf
Gouranga, nicht so totalitär und repressiv wie auf Newpeace,
nicht so langweilig ländlich wie früher auf Moskau, nicht
so intolerant islamistisch wie auf Al-Wahab oder… Sie verstehen
schon, was ich damit sagen will. Ein Planet ist ein großes
Gebilde, und selbst die Exzesse der PORR-Junta vermochten es
eigentlich nicht, der Volkswirtschaft allzu sehr zu schaden. Wenn
Neu-Dresden ein paar Jahrzehnte der Zivilisation und einige Prozesse
gegen Kriegsverbrechen hinter sich bringt, wird es sich bald zu der
Art von Welt entwickeln, die vernünftige Touristen nicht
automatisch vom Reiseplan streichen, weil sie schon bei dem Gedanken
daran eine Gänsehaut bekommen.
    Tatsächlich kann Neu-Dresden sogar ein angenehmer Ort
für Besucher sein, solange man die politische Weisheit eines
Systems nicht in Frage stellt, das über sechzehn verschiedene
Organisationen der Geheimpolizei verfügt. Außerdem
über siebenunddreißig Ministerien mit eigener Miliz und
über vier politische Vertreterversammlungen (drei davon
funktionieren nach dem Einparteien-System, aber es herrschen jeweils
verschiedene Parteien, und alle Vertreterversammlungen verfügen
über Vetorechte). Vor allem aber darf man niemals den
Bürgerkrieg erwähnen.
    Sie können gar nichts falsch machen, solange der Zweck Ihres
Besuchs darin besteht, die hübschen rustikalen Souvenirs und die
kuriosen Quanten/Nano-Computer zu erwerben, die wunderbar
rekonstruierten Volksgruppen-Dörfer in der Provinz Chtoborrh zu
bestaunen und die feinen Lager-Biere in den alpinen Gasthäusern
zu genießen.
    Soweit ich es beurteilen kann, ist das Leben für die normalen
Leute dort gar nicht so schlecht. Ich bin bislang nicht nahe genug an
sie herangekommen, um es mit Sicherheit sagen zu können, denn
dazu hätte ich erst einmal zwanzig Jahre als gut getarnter
Maulwurf auf Neu-Dresden verbringen müssen. Was das nationale
Misstrauen Fremden gegenüber angeht, habe ich keineswegs
übertrieben. Es ist ein Überlebensinstinkt, der typisch
für Neu-Dresden ist; dort wurde die Paranoia seit Jahrhunderten
herangezüchtet. Doch von außen gesehen, hebt sich der
Lebensstandard jetzt eindeutig und sieht, verglichen mit einer so
grässlichen Welt wie der Neuen Republik, sogar recht gut
aus.
    Die Leute besitzen Automobile – richtige, von
Brennstoffzellen angetriebene Personenkraftwagen, sie pfuschen nicht
etwa mit irgendwelchen Dampfmaschinen oder explodierenden
Kolbenmotoren herum –, sie haben Musikbörsen im Netz,
kosmetische Chirurgie, Pauschalangebote für Ferien auf den
Monden und sieben verschiedene Küchen. Die Geschmacksrichtungen
haben sie aus anderen Welten importiert und den örtlichen
Bedürfnissen angepasst. Wohlhabende Leute haben weniger Zeit und
Energie, einander in Stücke zu schießen. Deshalb
drückt sich der Groll – das Nachtragen – inzwischen
eher in

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