Supernova
Ein Raubtier voller Schönheit, das gleichzeitig
den Tod brachte, weil es gar nicht anders konnte. Sie zog die
Perücke ab, legte sie auf den Schreibtisch und fuhr sich mit den
Fingerspitzen durch das kurze dunkle Haar. »Sie sehen so aus,
als könnten Sie einen Drink gebrauchen.«
Wie durch eine Nebelwolke merkte er, dass sie ihm ein Glas anbot.
Instinktiv meldete sich sein Selbstschutz, sodass er es sofort
annahm. »Danke.« Auch sie selbst schenkte sich ein Glas aus
der Kristallkaraffe ein, die irgendeine bernsteinfarbene, nach
Alkohol und Asche riechende Flüssigkeit enthielt.
»Ist das importierter Whisky?«
Sie schürzte nachdenklich die Lippen, verkorkte die Karaffe
wieder und nahm ihm gegenüber auf dem Stuhl Platz.
»Ja.« Sie strich das Kleid über den Knien glatt. Einen
Moment lang wirkte sie geistesabwesend, so als könne sie sich
nicht daran erinnern, was sie hier überhaupt machte – eine
Märchenprinzessin an Bord eines Kriegsschiffes, das der Rasse
der Übermenschen gehörte. »Sie sollten ihn mal
probieren.«
Er hob das Glas und zögerte kurz, weil er nach dem
üblichen Trinkspruch suchte. »Auf Ihr Wohl.« Insgeheim
ergänzte er den Spruch durch weniger Schmeichelhaftes.
Auch sie hob ihr Glas. »Und auf das Ihre.« Ihre Wange
zuckte. »Wenn Sie in dieser Weise auf mein Wohl anstoßen,
wage ich mir gar nicht vorzustellen, wie Sie auf meinen qualvollen
Tod anstoßen würden.«
Ihre Worte trafen ins Schwarze. »Chefin, ich…«
»Schweigen Sie.« Die grünen Augen zu Schlitzen
verengt, beobachtete sie ihn über den Rand ihres Glases hinweg.
Verschwitztes schwarzes Haar, hohe Wangenknochen, volle rote Lippen,
schmale Taille: der Körper einer Kriegerin, eingehüllt in
ein hauchzartes Seidengewand, für dessen Anfertigung
meisterhafte Couturiers sicher Wochen gebraucht hatten. Sie
besaß die übermenschlich symmetrischen Gesichtszüge,
die sich nur eine direkte Abstammungslinie für die
Alpha-Ausprägungen ihres Phänotyps leistete. »Ich habe
Sie hierher mitgenommen, weil ich das Gefühl habe, dass unsere
erste Begegnung vielleicht unter einem schlechten Stern
stand.«
Franz blieb wie angewurzelt sitzen, die rechte Hand um den Scotch
geklammert, der ein kleines Vermögen gekostet haben musste.
Schließlich war er über mehr als zweihundert Lichtjahre
hinweg hierher gebracht worden. »Ich weiß nicht, ob ich
Sie richtig verstehe.«
»Ich denke schon.« Hoechst musterte ihn mit stetem
Blick, nur ihre Lider zuckten hin und wieder. »Ich habe mich mit
Ihrer Arbeit befasst. Sie wären überrascht, wenn Sie
wüssten, wie viele Informationen über ihre Untertanen
selbst die fanatischen Verfechter der Privatsphäre auf Septagon
zu sammeln vermögen. Nehmen wir zum Beispiel unsere
Ausreißerin. Ich glaube, ich weiß jetzt, wie wir sie
erwischen können. Sie hat den Fehler gemacht, nach ihrem
unglücklichen Zusammenstoß mit Kerguelen, diesem Nichts,
mit einigen Freunden zu sprechen. Ich glaube, ich weiß jetzt,
wohin sie will. Aber sie ist nicht die Einzige, über die
Informationen vorliegen.«
Jetzt kommt’s. Unwillkürlich spannten sich seine
Nackenmuskeln. Gleich wird sie… was? Wenn sie seinen Tod
wollte, hätte sie ihn zusammen mit Kerguelen exekutieren lassen
können.
Sie ließ ihn nicht aus den Augen, gierte nach Informationen.
»Sie waren ›verliebt‹ in U. Erica Blofeld,
stimmt’s?«
Jähe Wut ließ ihn ohne weiteres Nachdenken
herausplatzen: »Darüber möchte ich nicht reden. Sie
haben doch bekommen, was Sie wollten, oder nicht? Meine ungeteilte
Aufmerksamkeit und die Liquidierung einer Doppelagentin der
Spitzenklasse aus Scotts persönlichem Kader. Reicht Ihnen das
noch nicht?«
»Vielleicht nicht.« Ihre Wangenmuskeln spannten sich so,
dass sich die Mundwinkel hoben. Fast sah es so aus, als lächelte
sie, aber das Lächeln drang nicht bis zu den Augen vor.
»Sie sind zu lange im Septagon gewesen, Franz. In gewisser
Hinsicht tragen Sie selbst keine Schuld. Es könnte jedem
passieren, wenn er zu lange ohne Unterstützung und
Indoktrination auf sich selbst gestellt ist. In einer solchen
Situation macht man sich sein eigenes kleines Bild von der
Wirklichkeit, ein ketzerisches Bild, fragt sich womöglich, ob es
keine Alternativen zur Vorgehensweise des Direktorats gibt, fragt
sich, ob man das Direktorat nicht einfach außer Acht lassen und
so tun könnte, als sei es gar nicht da. Ist es nicht so?
Übrigens brauchen Sie nichts zugeben, das hier ist kein
Verhör. Ich werde Sie den
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