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Supernova

Supernova

Titel: Supernova Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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komplizierten gesellschaftlichen Fehden aus, als dass er zur
Revolution führt. Und es sind dort nur achthundert Millionen
Einwohner zu verzeichnen, deshalb haben sie jede Menge
Entwicklungspotenzial, wenn es ihnen gelingt, den Teufelskreis der
letzten zweihundertfünfzig Jahre zu durchbrechen.
    Tatsächlich gibt es durchaus Anzeichen für eine
friedliche Entwicklung. Momentan verwendet die Geheimpolizei die
meiste Energie darauf, sich gegenseitig zu bespitzeln. Dagegen lassen
die Geheimen die Zivilbevölkerung in Ruhe und trinken am
Wochenende sogar in denselben Kneipen wie der ganze Rest. Inzwischen
findet man unter den Einheimischen sogar unabhängige
Journalisten. Wer weiß? Es könnte jetzt jederzeit der
Übergang zu einem zivilisierten Stadium eintreten…
    … wäre da nicht die Tatsache, dass drei gesichtslose
Bürokraten drauf und dran sind, alle Menschen auf Neu-Dresden
umzubringen.
    Selbstverständlich rede ich über die drei der noch
lebenden Moskauer Diplomaten – wer sie auch sein mögen
–, die allesamt die Finger am Abzugshahn haben, um gleichzeitig
abzudrücken. Ich rede hier nicht von den beiden Diplomaten, die
diesen viel versprechenden Planeten von fast einer Milliarde
Einwohnern begnadigen könnten, hätten sie nur den Mut
zuzugeben, dass sich das Spiel mit dem Feuer nicht lohnt.
Schließlich sind die Menschen auf Neu-Dresden im Grunde auch
nicht viel anders als die früheren Bewohner Moskaus.
    Es geht dabei um die (fehlende) innere Stärke. Wenn man sich
selbst zum höchsten Richter in einer Sache aufschwingt, die mit
der Todesstrafe geahndet wird, sollte man, verdammt noch mal, auch
sicher sein, dass man mit einem solchen Urteil und seinen Folgen
leben kann. Und ich glaube nicht, dass diese Arschlöcher den
Mumm dazu haben.
    Was auch der Grund dafür ist, dass ich mich auf dem Weg nach
Neu-Dresden befinde. Ich werde Botschafterin Elspeth Morrow und
Handelsminister Harrison Baxter in die Enge treiben, indem ich sie
frage: Warum wollen Sie über achthundert Millionen Menschen die
Todesstrafe verhängen, obwohl es keine Beweise dafür gibt,
dass diese Menschen tatsächlich des Verbrechens schuldig sind,
dessen sie angeklagt sind?
    Halten Sie ein Auge darauf.
     
    Ende des Leitartikels der Times

 
    Frank streckte die Arme zur Decke des Frühstücksraums
und gähnte herzhaft. Er hatte bis in den Vormittag hinein
geschlafen und einen leichten Kater. Trotzdem war das besser, als
hätten ihn heute früh Erinnerungen an den gestrigen Vorfall
in der Bar gepeinigt. Und dafür war er dankbar.
    Der Frühstücksraum ähnelte den anderen
Speisezimmern, nur war er ein bisschen kleiner und bot den
Gästen stets ein warmes Büffet. Außerdem gab es hier
auch keine Bar oder Bühne für Kabarett-Vorstellungen. So
spät am Vormittag war der Raum fast leer. Frank besorgte sich
einen Teller, belud ihn mit Bratkartoffeln, Paprika und Spiegeleiern,
nahm sich als Beilage noch heiße, frisch gebackene
Blaubeer-Bagels und suchte sich einen freien Tisch. Der einzige
Steward, der hier Dienst tat, bot ihm unverzüglich Kaffee an.
Während Frank sich auf sein Essen stürzte, versuchte er
seine müden Gehirnzellen dazu zu bringen, sich mit den Vorhaben
für den neuen Tag auseinander zu setzen.
    Erstens: Transferhafen Septagon Centris Noctis. Passagiere, die
von Bord und an Bord gehen. Lohnt es sich, sich für alle
Fälle die Anschläge an den Schwarzen Brettern vorzunehmen?
Zweitens: Dafür sorgen, dass die letzten Updates übertragen
werden. Hereinkommende Nachrichten abrufen, lesen und innerlich
verdauen. Danach…
    Ach, verdammt, erst einmal frühstücken. Er goss ein
wenig Sahne in den Frühstückskaffee und rührte um. Frag mich, ob seit dem letzten Sprung irgendetwas passiert
ist.
    Das war das ständige persönliche Dilemma des
interstellaren Sonderkorrespondenten: Blieb man an einem Ort, konnte
man nichts persönlich und aus nächster Nähe erleben,
aber dafür hatte man die Möglichkeit, sich die ganze Zeit
ins Netzwerk der Kausalkanäle einzustöpseln, das die
Nachrichten in Reichszeit verbreitete. Reiste man herum, war man von
dem Moment an, in dem das Schiff den ersten Sprung tat, nicht mehr
erreichbar, bis es in den Lichtkegel des Reiseziels eintrat.
Allerdings zahlten sich die Kanäle für Frank dadurch aus,
dass sie ihm Einsicht in fremde Kulturen und die politischen
Entwicklungen da draußen boten. Und diese Einsicht erlangte man
nicht, wenn man zu Hause blieb. Deshalb löste bei ihm jeder neue
Anlaufhafen

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