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Supernova

Supernova

Titel: Supernova Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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eingefügt
waren. Unterhalb der Äste, die ein dichtes Netzwerk bildeten,
sorgten winzige Wartungsroboter dafür, dass bräunliche
Blätter sofort beseitigt wurden, ehe sie hinunterfallen und den
Plüschteppich verunzieren konnten.
    Der Gang war zwar nicht gänzlich leer, aber es waren nur
wenige Passagiere zu sehen. Die meisten strömten immer noch
durch die Andockschleuse der Raumstation Noctis, des Freihafens der
Linie WhiteStar im Septagon-System. Arm in Arm schlenderte ein junges
Paar vorbei, so gleichgültig gegenüber der Umwelt, wie es
nur die wirklich Verliebten sein können – vielleicht reiche
Leute von der Eiger-Welt auf Hochzeitsreise. Drüben ging ein
alter Mann mit gebeugten Schultern und strähnigem Haar, dessen
eine Wange aufgrund eines nervösen Ticks ständig zuckte. Im
Bart hatten sich Reste seines Frühstücks verfangen. Mit
trübem Blick, der jedoch auch gewisse Erwartungen
widerspiegelte, steuerte er auf eine diskret getarnte Opiumhöhle
zu. Als eine knabenhafte, schwarz gekleidete Gestalt abrupt stehen
blieb, um in das Schaufenster eines sehr teuren Juwelierladens zu
starren, musste Frank einen Bogen um sie (oder ihn, vielleicht auch
es) schlagen und gleich darauf zur Seite ausweichen, um nicht mit
einem geschäftig dahineilenden Steward
zusammenzustoßen.
    Das Schiff war ein einziges Einkaufszentrum, zu dem Zweck
geschaffen, den untätigen wohlhabenden Reisenden das
überzählige Geld aus der Tasche zu ziehen. Da Frank weder
wohlhabend war noch dem Müßiggang frönte,
konzentrierte er sich darauf, den Leuten, die hier und da einen
Schaufensterbummel machten, aus dem Weg zu gehen.
    Das Promenadendeck wand sich in einer Schleife von zweihundert
Metern um das zentrale Atrium der Passagierdecks, dessen
Hauptattraktionen – ein überdachter Wasserfall und riesige
gemeißelte Treppen – wie Traumgebilde hinter Glas wirkten.
Auf halber Strecke stieß Frank auf eine Lücke in der
Schaufensterfront und eine abzweigende Passage, die zu einem
kreisförmigen Salon führte. Der Raum war mit rotem
Teppichboden ausgekleidet, und die Wandvertäfelung bestand aus
unglaublich großflächigen Elfenbeinschnitzereien. In der
Mitte befand sich ein Orchestergraben. Bis auf ein paar
Frühaufsteher, die hier ihren Kaffee tranken und ins Innere
ihrer Projektionsflächen starrten, war der Salon fast leer.
Frank steuerte auf ein dekadent wirkendes Sofa zu, einer Ansammlung
von Daunenkissen in Überzügen aus geklonter menschlicher
Haut, so weich, dass er darin zu versinken drohte, und so angenehm
wie die streichelnde Hand einer Geliebten. Er streckte sich darauf
aus, holte sein Keyboard aus der Tasche, zog es zu voller
Größe aus und setzte seine dunkle Brille auf. »Alles
klar, das Wichtigste zuerst«, murmelte er vor sich hin und
versuchte, einigermaßen penetrante Erinnerungen an den Vorabend
zu verdrängen, die das anschmiegsame Leder bei ihm
ausgelöst hatte. Wem maile ich zuerst, der Botschaft oder dem
Konsulat der Vereinten Nationen? Hm…
    Er hatte dreißig Minuten mit der üblichen
Vormittagskorrespondenz verbracht, als jemand seine linke Schulter
berührte.
    »He!« Er versuchte sich aufzusetzen, schaffte es jedoch
nicht und fuchtelte einen Augenblick wild mit den Armen herum, bis es
ihm gelang, sich an der vorderen Sofakante festzuhalten.
    »Sind Sie Frank die Spürnase?«, fragte eine
weibliche Stimme.
    Anstatt die Gläser auf Transparenz einzustellen, zog Frank
die Brille lieber gleich ab. »Was, zum… He, von was reden
Sie da?«, platzte er heraus und griff sich mit der linken Hand
an die linke Schulter. Es war eindeutig die junge Frau, die er auf
dem Gang gesehen hatte; ihre blasse Haut und die völlig schwarze
Kleidung waren nicht zu verkennen. Sie war niedlich, auch wenn sie
völlig ausgezehrt aussah. Wie ein Elfchen, dachte er. Ja, das triffi’s.
    »Tut mir Leid, wenn ich Sie störe, aber ich habe
gehört, dass Sie Kriegsberichterstatter sind?«
    Frank massierte sich kurz die Stirn, während ihm
flüchtig mehrere Möglichkeiten der Reaktion durch den Kopf
gingen.
    »Warum wollen Sie das wissen?«, fragte er
schließlich, von seiner Milde selbst überrascht. Klick. Von ihrem Äußeren her wirkte sie wie eine Jugendliche.
Entweder war sie tatsächlich noch jung, oder sie hatte gerade
eine Verjüngungskur hinter sich. Stumpfes, dunkles Haar, das
momentan völlig zerzaust aussah, hohe Wangenknochen in einem
Gesicht mit bemerkenswert reinem Teint, weiblich. Klick. Allein. Klick. Fragt nach Frank der

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