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Supernova

Supernova

Titel: Supernova Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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– ich meine die
Geschäfte, Bars, Restaurants, Tanzveranstaltungen und andere
gesellschaftliche Ereignisse –, kannst du ruhigen Gewissens die
beigefügten technischen Pläne dazu nutzen, vorsichtig die
Dienst- und Wartungsräume an Bord auszukundschaften. Wenn
irgendjemand dich fragt, was du da treibst, behauptest du einfach,
eine reiche Erbin zu sein, die nichts zu tun hat und sich langweilt.
Der Moskauer Treuhandfonds habe euch eine so hohe Dividende
ausgezahlt, dass deine Eltern dir erlaubt hätten, vor deiner
Einführung in die Gesellschaft auf große Tour zu gehen.
Noch ein Hinweis: Es ist mir zwar egal, ob du mit dem Geld sparsam
umgehst oder nicht, aber bitte nimm dir die Zeit, dich zu langweilen. Deine Aufgabe teile ich dir später mit.
    Der nächste Anlaufhafen ist Neu-Dresden, wo ihr viereinhalb
Tage Zwischenstation macht. Viele Leute nehmen an, dass die
frühere Regierung von Neu-Dresden für die Vernichtung
deiner Heimatwelt verantwortlich ist. Wahrscheinlich weißt du
inzwischen, dass das nicht stimmt. Zufällig findet während
deines Aufenthalts dort die jährliche Gedenkfeier der Moskauer
Botschaft in der Hauptstadt Sarajevo statt. Es wäre mir sehr
recht, wenn du daran teilnehmen könntest. Vielleicht kaufst du
dir dafür etwas zum Anziehen, das ein bisschen seriöser
wirkt.
    Weitere Instruktionen gebe ich dir, sobald ihr in der Umlaufbahn
in Neu-Dresden ankommt. Ich fasse zusammen: Mach Frank die
Spürnase ausfindig und erzähl ihm von deinem Abenteuer auf
Alt-Neufundland. Das wird sicherstellen, dass dir auf dieser Reise
nichts zustößt. Hab keine Bedenken, das Schiff
auszukundschaften. Besuche in Neu-Dresden die Gedenkfeier in der
Botschaft. Bon voyage!«
    Zwar schüttelte sie verblüfft den Kopf, machte sich aber
trotzdem daran, seine Vorschläge umzusetzen. Das Schiff hatte
noch nicht einmal abgelegt. Wednesdays eingebaute Sicherung sorgte
dafür, dass sie immer wieder über die Schulter blickte, als
der große Mann sie zu einem Fahrstuhl führte, der diskret
durch ein Trompe-l’OEil-Gemälde an der Wand getarnt war. Was, wenn Leo oder wie er sonst heißen mag mir bis an Bord
dieses Schiffes gefolgt ist? Aberirgendetwas an dem
ungeschlachten Journalisten gab ihr ein Gefühl von Sicherheit:
Er sah zwar so aus, als könne er durch Wände gehen, doch
ihr gegenüber bewies er großes Zartgefühl. Offenbar
war ihm klar, dass er die Menschen durch sein Äußeres
leicht einschüchtern konnte, und gab sich Mühe, nicht
bedrohlich auf sie zu wirken.
    Die Fahrstuhlkabine war eng und spartanisch ausgestattet; sie
bestand nur aus glänzendem Metall und einer Leiste mit vielen
Knöpfen. »Ist eine Kabine für die
Schiffsbesatzung«, erklärte er und deutete auf die
Knöpfe. »Sven hat mir gezeigt, wie man sie benutzt. Sie
führt nicht nur nach oben und unten, sondern – aha!«
Die Kabine schlingerte zur Seite, stieg empor und schwenkte dann
für eine Weile auf die frühere Spur zurück. Als der
Fahrstuhl anhielt und die Türen sich öffneten, lag vor
ihnen ein trübe beleuchteter Gang. Wednesday fühlte sich an
ein Hotel erinnert, in das ihre Eltern Jerm und sie vor ein paar
Jahren mitgenommen hatten. »Wir sind da.«
    Franks Kabine verstärkte bei ihr das Gefühl, sich in
einem Hotel zu befinden. Allerdings war es ein unordentliches,
benutztes Zimmer, in dem es durchdringend nach etwas Ekligem,
Undefinierbarem roch, als verwese etwas in diesem Raum. Als Frank die
Tür schloss, schlenderte sie mit gerümpfter Nase zum
Schreibtisch hinüber und fühlte sich dabei
vorübergehend recht unwohl. Das verging, als er sich
bückte, ein kompaktes Multimedia-Aufzeichnungsgerät
herausholte und es auf den Tisch stellte. »Nehmen Sie Platz,
machen Sie es sich bequem.« Sein Lächeln beunruhigte sie.
»Das hier ist ein Gerät, das unser Interview aufzeichnen
wird. Wir werden es aufnehmen, und danach schicke ich es direkt und
unverzüglich an Joe – sie führt für mich von zu
Hause aus Recherchen durch und ist dort Redakteurin im Innendienst.
Joe kann das Interview in die richtige Form zur Veröffentlichung
bringen. Je eher es ins Netz gestellt wird, desto besser. Sitzen Sie
bequem? Okay, dann fangen wir am besten an. Sagen Sie mir bitte Ihren
Namen? Es wird besser gehen, wenn Sie direkt auf die Kamera
blicken…«
    Nach fast einer Stunde wurde Wednesday allmählich heiser.
Außerdem war sie müde bis in die Knochen und empfand es
als langweilig, um nicht zu sagen deprimierend, sich ständig zu
wiederholen. Obwohl

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