Supernova
Glas. »Auf
ein ruhiges Leben…«
»Wow!« Wednesday sah sich mit großen Augen in der
Kabine um. Die ist ja größer als mein Schlafzimmer
daheim. Sogar größer als unsere ganze Wohnung! Hastig
verdrängte sie das quälende Gefühl von Verlust, das
sich sogleich wieder gemeldet hatte.
Sie blieb mitten auf dem riesigen, flauschigen Teppich im Farbton
von Eierschale stehen und ließ den Blick umherschweifen. Der
Raum war so weitläufig, dass die Zimmerdecke niedrig wirkte,
obwohl sie sich weit über Wednesdays Kopf befand. Hier und da
waren Sofas und Beistelltische über das Zimmer verteilt, die auf
der großen Fläche irgendwie verloren aussahen. Eine Wand
ähnelte einer rohen, nicht verputzten Mauer. Darin eingelassen
war eine geschwungene, spitz zulaufende Tür, die zu einem
üppig ausgestatteten Boudoir führte. Mit seinen
ausgesuchten Holzvertäfelungen und Wandteppichen hätte es
direkt dem Mittelalter eines Fantasy-Romans entsprungen sein
können. Ein überdimensionales Himmelbett
vervollständigte diesen Eindruck; allerdings reichte die Hommage
ans Mittelalter nicht besonders weit, denn die nächste Tür
führte in ein modernes Badezimmer. In den weiß gefliesten
Boden war eine Badewanne eingelassen, die es in ihren Dimensionen
fast mit dem Himmelbett aufnehmen konnte.
»Falls Sie irgendetwas benötigen, rufen Sie bitte das
Büro des Chefstewards an«, sagte der Steward. »Rund um
die Uhr ist jemand da, der Ihnen weiterhelfen wird. Bestimmt kann Ihr
elektronischer Reiseführer Ihnen erklären, wie die
Einrichtungen in dieser Suite funktionieren, einschließlich der
kleinen Produktionsanlage dort drüben im Schrank.« (Der
Schrank, der sich hinter einem weiteren gotischen Türbogen
verbarg, wirkte tatsächlich so groß wie eine kleine
Fabrik.) »Brauchen Sie im Augenblick noch irgendetwas?«,
fragte er.
»Äh, nein.« Sie sah sich um. »Das heißt,
doch, ich muss einkaufen gehen und ein paar Kleinigkeiten besorgen.
Aber das, äh, hat noch Zeit.«
»Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden.« Als er
sich umwandte und die Suite verließ, lächelte er seltsam.
Gleich darauf schloss sich die Tür zum Gang – nein, hier
hieß es ja Promenadendeck – hinter ihm.
»Wow!«, entfuhr es ihr wieder. Sie sah zum Eingang.
»Tür, sperr ab.« Es war ein leises Klicken zu
hören. »Wow!«
Wednesday schlenderte zum nächsten Sofa hinüber,
fläzte sich hin und zog die Stiefel aus. »Autsch!« Da
sie die Stiefel länger als vierundzwanzig Stunden ununterbrochen
getragen hatte, waren ihre Füße mittlerweile völlig
wund. Eine Minute lang schloss sie die Augen, grub die Zehen in den
Teppich, krümmte sie leicht und keuchte dabei. »Oh, wie gut
das tut!« Nach weiteren sechzig Sekunden meldeten sich auch
andere Sinnesorgane. »Hm.«
Sie ging zum Badezimmer hinüber und ließ dabei eine
Spur von abgelegten Kleidungsstücken auf dem Fußboden
zurück. Als sie dort ankam, hatte sie sich aller Klamotten
entledigt. »Dusche, Dusche, wo bist du?« Wie sich
herausstellte, befand sich die Dusche jenseits der Toilette und der
Badezimmerutensilien in einer separaten Kabine. Und das da…
»Ein Haarentferner für den ganzen Körper?« Sie
fuhr leicht zurück. Warum sollte sich irgendjemand das ganze
Körperhaar abrasieren wollen? Bei Beinen, Achselhöhlen oder
der Scham konnte sie das ja noch nachvollziehen, aber bei den
Augenbrauen?
»Die Maniküre- und Pediküre-Studios befinden sich
auf Deck D«, leierte eine Stimme vom Band herunter, gerade so
blechern, dass Wednesday sie nicht mit einer realen Person
verwechseln konnte. »Das kleine Fabrikationsgerät der Suite
kann verschiedene Kleidungsstücke für eine Grundgarderobe
herstellen. Maßgeschneiderte Designer-Kleidung erhalten Sie bei
den Schneidern auf Deck F. Bitte beachten Sie die Tafel neben dem
Waschbecken. Dort finden Sie weitere Körperpflege- und
Serviceangebote.«
»Uäh.« Wednesday zog sich grimassierend zur
Duschkabine zurück und schnüffelte an ihrer
Achselhöhle. »Iih!« Zuerst das Wichtigste. Wie
hatte Hermann es ausgedrückt: Du bist eine reiche Erbin, die
sich langweilt und nichts zu tun hat, also verhalte dich auch
so.
Sie duschte gründlich und blieb so lange unter den
Düsen, bis sie das Gefühl hatte, ihre Haut werde sich
demnächst vom Körper lösen. Ebenso gründlich
wusch sie sich das Haar und versuchte dabei, all den Dreck und die
Verzweiflung der letzten Woche von sich abzuspülen. Um das
Enthaarungsgerät schlug sie einen großen Bogen:
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