Supernova
versuchte, ihre Worte zu erfassen.
»Rachel?«
»Ach, Scheiße!« Sie sah ihn mit einer Mischung aus
Zuneigung und Genervtheit an. Die zwei Jahre Ehe mit ihm hatten ihre
Gefühle für ihn nicht abgestumpft, aber sie hatte schon
lange ihr eigenes, selbstständiges Leben geführt, ehe
Martin – der jetzt Ende sechzig war, obwohl er wie Mitte zwanzig
aussah – auch nur gezeugt worden war. Und manchmal kam sie sich
fast wie eine Kindesentführerin vor. Er hatte noch nicht die
niederdrückende Erfahrung des inneren Loslassens machen
müssen, die sie selbst durchgemacht hatte, als ihr Kind an
– vermeidbarer – Altersschwäche gestorben war. Die
Gründe für diesen Tod hatten in der religiösen
Überzeugung gelegen, wenn es nicht ganz einfach die altmodische
Lebensmüdigkeit gewesen war. Vielleicht würde er so etwas
niemals durchmachen müssen, und sie liebte ihn deshalb nicht
weniger, aber manchmal erschwerte es das Leben mit ihm ein bisschen.
»Glaubst du wirklich, ich würde etwas so Unbesonnenes tun,
dass ich das hier aufs Spiel setze?« Als sie zwei Schritte
vortrat und ihr Kinn an seinem Hals vergrub, nahm er sie automatisch
in die Arme.
»Ich weiß, dass du’s tun würdest,
Rachel. Ich kenne dich und deine Don-Quichote-Feldzüge zur
Rettung ganzer versauter Planeten. Erinnerst du dich?«
»Nur, weil du dasselbe tun würdest«, flüsterte
sie ihm ins Ohr.
»Ja, aber ich hab es ausschließlich gegen Bares getan.
Und aus dem bestmöglichen Grund.« Weil das, was in diesem
verrückten Universum einer Gottheit noch am nächsten kam,
ihn eines Tages angerufen und gefragt hatte, wie viel er dafür
nehmen würde, Zeitmaschinen zu sabotieren, ehe deren
verrückte Erbauer sie einschalten und die Kohärenz der
Geschichte zerstören konnten – einschließlich der
Kette von Ereignissen, die zur Schaffung eben dieser Gottheit
geführt hatte. »Du dagegen neigst dazu, so etwas zu
tun, wenn dich die Begeisterung davonträgt.«
»Nein, ich neige dazu, so etwas zu tun, wenn ich wütend werde«,gab sie zurück und zwickte ihn so
in den Po, dass er aufjaulte. »Und du magst es nicht, wenn ich
wütend werde!«
»Nein, nein, ich mag dich sehr.« Er schnappte nach Luft.
Sie konnte ihr Lachen nicht unterdrücken. Kurz darauf kicherte
auch Martin und stützte sich auf ihre Schulter.
Nach einer Weile wurden sie wieder ernst. »Ich werde nicht
zulassen, dass irgendein Verrückter so nahe an mich herankommt,
dass er mich umbringen kann, Martin. Ich werde nur das Gesicht
exponieren und hinten in einem Raum stehen bleiben, während
vorne jede Menge getarnter Sicherheitsleute postiert sind. Ich will,
dass sie annehmen, sie könnten einen sauberen Schuss auf mich
abgeben, aber ihnen nicht die reale Chance geben.«
»Ich hab schon zu viele verrückte Pläne wie diesen
scheitern sehen.« Sie ließ ihn los und trat einen Schritt
zurück, um sein Gesicht zu mustern. »Und ich komme mir
dabei wie das fünfte Rad am Wagen vor.« Er warf einen Blick
über die Schulter. »Nicht, dass ich hier etwas anderes
darstellen würde.«
»Na ja, das hast du nun davon, dass du ins Diplomatische
Korps eingeheiratet hast.« Sie runzelte die Stirn. »Aber es
gibt da eine Sache, die du für mich erledigen könntest. Ich
hab George gefragt, und er ist einverstanden. Gefährlich ist es
nicht…«
»Nicht gefährlich?« Er kniff argwöhnisch die
Augen zusammen. »Bei einer Sache, die du ausgekocht hast,
wäre das eine Premiere.«
»Halt den Mund und hör zu. George hielt es für eine
gute Idee, dass du einen Ausflug in die Umlaufbahn unternimmst und
eine Besichtigungstour auf der Romanow mitmachst, während
sie im Dock liegt. Ich selbst bin derweil in der Moskauer Botschaft,
um diesen hübschen kleinen Plan in die Tat umzusetzen. Dein
üblicher Arbeitgeber hat Teile des Schiffs gebaut. Und ich kann
dich durch ein Empfehlungsschreiben beim Kapitän einführen.
Du sollst dich dort nur umsehen und herausfinden, ob irgendetwas faul
ist. Wir können es auch offiziell machen, wenn du
möchtest.«
»Als ich das letzte Mal auf Wunsch von dir und deinen Leuten inoffiziell auf einem Schiff herumgeschnüffelt habe, hat
das dazu geführt, dass wir beide zu einer sechsmonatigen
Kreuzfahrt in eine Kriegszone zwangsverpflichtet wurden, wenn ich
mich recht erinnere«, bemerkte er trocken.
»Diesmal ist nichts Derartiges geplant.« Sie
lächelte und wandte sich ab. Bei der Erinnerung hatte sie
gemischte Gefühle: Martin hatte dieses Erlebnis nicht sonderlich
gefallen
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