Supernova
sollten sie die Sache vermasseln. Die Uhr
tickte, und die Spannung wuchs stetig, während die Leute dort
auf den Anruf aus der Botschaft warteten. Böse Vorahnung: Was
ist, wenn die Diplomaten von der Erde Recht haben? Und
Unsicherheit: Was ist, wenn sie sich irren? Und Paranoia: Was ist, falls die Leute von der Erde hinter der ganzen Sache
stecken? All das reichte, um Rachel zu einem sauren Magen zu
verhelfen – kein guter Anfang für einen langen, stressigen
Abend.
Sie konzentrierte sich eine Weile auf ihre selbstständig
arbeitenden Implantate. Die Dresdner Behörden hatten
schwerwiegende Vorurteile gegen individuelle Zusatzausrüstungen
und eine nicht regulierte Verwendung intelligenter Materie. Rachels
Fähigkeiten, ihr inneres Gehirn zu steuern, ihre Reflexe zu
beschleunigen und in der Dunkelheit zu sehen, würden wie eine
Bombe platzen, wenn all das ans Licht käme. Aber das würde
es nicht, es sei denn, jemand tauchte aus dem Dunkeln auf und
versuchte sie zu ermorden. Was nur allzu gut möglich war, da sie
sich jetzt in dem Zeitfenster der achtzig Stunden befanden, die
zwischen der Ankunft der Romanow und ihrer Abfertigung zum
Start vom Dock des Raumhafens im Orbit lagen. Und sie hatte allen
Grund, nervös zu sein. Irgendjemand hatte es geschafft, in drei
diplomatische Residenzen einzudringen (von denen eine sogar
erhöhte Sicherheitsvorkehrungen getroffen hatte), drei Morde zu
begehen und ungeschoren davonzukommen. Das deutete auf sehr gute
Informationen, auf Hilfe von Insidern oder beides hin. Und wenn der
Insider, der den oder die Attentäter unterstützte,
darüber Bescheid wusste, dass sie jetzt den Platz von Elspeth
Morrow einnahm…
»Zeitabgleich«, sagte Tranh. »Die ersten Gäste
müssten…«, er blickte auf das
Kommunikationsgerät, »… sie treffen jetzt
ein.«
Es wurde leise an die Außentür geklopft. »Ich sehe
nach«, sagte Gail und ging hinüber. Rachel glitt hinter die
innere Tür, sodass sie nicht zu sehen war, während Gail
flüsternd ein kurzes Gespräch führte. »Es ist
Chrystoff«, sagte sie, worauf sich Rachel ein bisschen
entspannte. Morrows Leibwächter war einer der wenigen Menschen,
die als unbedenklich galten. Hätte er hinter den Attentaten
gesteckt, wären sie schon aufgeschmissen gewesen, ehe sie
überhaupt angefangen hatten.
»Gut«, sagte sie und kehrte in die Zimmermitte
zurück. Sie sah dem Leibwächter in die Augen.
»Fühlen Sie sich wohl bei der Sache?«
»Nein.« Er musterte sie seinerseits. »Aber
Sie… Das ist ja schon unheimlich.« Er wirkte angespannt.
»Es liegt nicht an Ihnen, wenn ich mir Sorgen mache.«
»Klar.« Sie nickte sachlich. »Ich muss nach unten
gehen und Gäste begrüßen. Eigentlich rechne ich nicht
damit, dass sich unser hypothetischer Täter auf Augenzeugen
einlässt. Deshalb wird wohl nichts passieren, solange ich mich
draußen nicht blicken lasse. Der Spaß geht erst los, wenn
jemand von den Gästen Bereiche betritt, für die der Zutritt
verboten ist. Oder wenn der Täter vom Drehbuch abweicht. –
Fertig?«
Chrystoff blieb einen Augenblick wie angewurzelt stehen und nickte
dann leicht.
»Na, dann legen wir mal los mit der Show.«
showtime
Während das Schiff am Dock lag und mit neuen Vorräten
versorgt wurde, hatte Steffi so viel zu tun, dass es sie nervte.
Nicht nur verbrachte sie einen Teil ihrer Freizeit mit Wednesday
– das Mädchen hatte Probleme und brauchte eine Schulter zum
Ausweinen; allerdings strengte es ganz schön an, ständig
als Kummerkasten zu dienen –, sie musste auch noch für Max
und Evan einspringen. Also machte sie Botengänge, pendelte
zwischen Brücke und technischen Räumen hin und her, spielte
für die Führungsmannschaft generell den Ersatzmann und das
Mädchen für alles und hielt die Stellung, während ihre
Vorgesetzten mit den Behörden des Raumhafens verhandelten. Wenn
das so weiterging, konnte sie von Glück sagen, falls sie
überhaupt noch ein bisschen Zeit auf dem Planeten verbringen
durfte. Und nach drei Wochen ununterbrochener Arbeit hatte sie einen
kurzen Tapetenwechsel wirklich bitter nötig. Hinzu kam noch,
dass Svengali, wie sie genau wusste, ihr die Leviten lesen
würde, sollte sie ihren Teil der Aufgaben da unten in
Neu-Dresden nicht erfüllen. Deshalb war es ihr alles andere als
recht, als Elena aus dem Büro des Chefstewards anrief.
»Leutnant? Wir haben hier einen Notfall. Ich bin am
nördlichen Ende von Röhre vier. Können Sie sofort
kommen?«
Steffi warf einen Blick auf
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