Supernova
sieht es so ganz
echt aus. – Kabeltest.« Es gab allerdings gar keine Kabel,
sondern nur ein ausgeklügeltes System intelligenter
militärischer Kommunikationsmittel, das die Gruppe, die die
Falle vorbereitete, miteinander verbinden sollte. »Test,
Test.« Tranh streckte eine Hand hoch. »Test ist okay. Können Sie mich hören?« Als Rachel
zusammenzuckte, fuhr er hastig den Lautstärkeregler zurück.
»Besser so?« Sie nickte.
Mit einer hautengen klebrigen Maske vor dem Gesicht, in den
Kleidern einer anderen Person, von einem Körperpanzer
eingezwängt, fühlte sich Rachel alles andere als
»besser«, zumal sie auch noch versuchen musste, die
Faustwaffe zu kaschieren. Aber wenigstens war Martin für den
Augenblick von der Bildfläche verschwunden: Er befand sich auf
dem Weg zum Raumhafen im Orbit, um auf dem Linienschiff
herumzuschnüffeln, das inzwischen in der geosynchronen
Umlaufbahn angedockt hatte. »Gail, gehen Sie noch mal den
Schlachtplan mit mir durch?«
»Den Schlachtplan – oh.« Sie räusperte sich.
»17 Uhr 30: Der Einlass beginnt. 18.00 Uhr: Wir erwarten den
Staatsekretär für Kulturelle Angelegenheiten Ivan Hasek,
das übliche Dutzend von Kulturattachés, Stellvertretende
Botschafter, sechzehn handverlesene Würdenträger aus
Industrie und Handel. Darunter sechs Einheimische, die bei den
Verfahren wegen Reparationszahlungen gern zu einer gütlichen
Einigung kommen würden. Drei der Geschäftsleute stammen aus
Septagon; es geht ihnen um die Zukunft des Handels, sollte der
unangenehme Fall eintreten, dass es plötzlich kaum noch Dresdner
gibt, mit denen sie Handel treiben könnten. Sieben sind
frühere Außenhandelsvertreter nicht mehr existierender
Moskowiter Unternehmen. Dann sind da noch Oberst Ghove vom
Bildungsministerium, Prof. Dr. Franck vom Ministerium für Innere
Aufklärung, die Diva Rhona Geiss, die offenbar für uns
singen soll, hunderttausend Journalisten – na ja, eigentlich nur
vier – und ein paar Dutzend Flüchtlinge, die entweder hier
leben oder auf der Durchreise sind und die Einladung angenommen
haben. Außerdem die Leute vom Catering-Service, ein
musikalisches Quartett, acht Tänzerinnen und Tänzer, drei
Entertainer, elf Kellner, ein paar Studenten, die sich im Rahmen
eines Kulturaustauschs hier aufhalten, ein Filmteam, das
dokumentieren möchte, was mit Nationen nach dem Tod ihres
Planeten geschieht. Außerdem ein Rebhuhn in einem Birnbaum. Ich
bin die Liste mit Pritkin und der Botschafterin nochmals
gründlich durchgegangen. Keine Stolpersteine in Sicht –
nach Ihrem Dienstprotokoll dürften keine bekannten Gesichter
darunter sein.«
»Entzückend.« Rachel fuhr leicht zusammen. »In
fünf Stunden wissen wir mehr. – Haben Sie irgendwelche
Prophylaxemittel gegen die Wirkung von Alkohol dabei?«
Schwungvoll und leicht grinsend präsentierte Gail einen
Tablettenstreifen. »Nehmen Sie eine auf mein Wohl.«
»Igitt.« Rachel schluckte die erste Pille und ergab sich
in ihr Schicksal, diesen Abend nüchtern durchstehen zu
müssen. »Und die Toilette?«
»Liegt am Gang, die linke Tür unter der Haupttreppe.
Natürlich werden die Kabinen überwacht.«
»Wachen?«
»Zwei vorne, zwei hinten, zwei auf jedem Treppenabsatz. Die
wissen Bescheid. Das Codewort ist…«
»Schimären, ich weiß. Und Spürhunde für Eindringlinge.«
»Genau.« Tranh stand auf. »Geht’s Ihnen
gut?«
»So gut es…«, Rachel dachte kurz nach, »…
es irgendjemand in meiner Lage überhaupt gehen kann. Wie kommt
Elspeth Morrow damit klar?«
»Ich kann sie anrufen, wenn Sie möchten?«
»Nein, besser nicht, glaube ich.« Rachel konnte sich
alles genau vorstellen: ein schäbiger, langweiliger Schutzbunker
am anderen Ende der Stadt, diskret abgeschirmt durch eine Eskorte von
Geheimpolizisten, die einem Prinzen alle Ehre gemacht hätten.
Die Botschafterin Morrow würde sich zu entspannen versuchen,
hatte zur Gesellschaft George Cho dabei, außerdem einen
Staatssekretär vom Außenministerium und ihren
Sekretär, Herrn Soundso. Angesichts der Tatsache, dass sich das
Diplomatische Korps der Erde in diesen Schlamassel
hineindrängte, wuchsen die Spannungen: Die Erde war eine dritte
Partei, die nur deshalb einen nicht genauer definierten Anspruch auf
Einmischung hatte, weil die Attentäter ein gewisses
Transportmittel von der Erde benutzten. Und die Dresdner
Geheimdienstler befassten sich nur deshalb nicht mit dieser Sache,
weil sie sich ausrechnen konnten, wie die Moskauer Diplomaten
reagieren würden,
Weitere Kostenlose Bücher