Supernova

wichtige Frage beantworten – die Frage, wer Moskau
zerstört hat.« Wieder schwieg er kurz. »Wenn ich,
ausgehend von der Klärung dieser Situation, die Kette von
Ereignissen in die Vergangenheit zurückverfolge, muss ich die
Anweisung berücksichtigen, die ich in meiner Eigenschaft als
Prophet und Gottheit innerhalb dieses Lichtkegels von Amts wegen an
meinen früheren Zustandsvektor geschickt habe. Diese Anweisung
lautete, mit dir sehr früh, in deinen Kindheitsjahren, Kontakt
aufzunehmen. Ohne dein Wissen warst du an der Entwicklung dieser
Situation beteiligt, wenn ich auch noch nicht ganz verstehe, warum.
Und ich glaube, das liefert auch einen Grund dafür, dass diese
Gruppe von Attentätern versucht hat, dich umzubringen. Die
Information, über die du in Alt-Neufundland gestolpert bist, war
wichtiger, als ich seinerzeit erkannt habe. Leider kann es sich als
durchaus schwierig herausstellen, die Beweismittel zu bergen, es sei
denn, ich kann dich auf irgendeine Weise dorthin
zurückbringen.«
    »Du willst mich nach Hause zurückbringen?«
Wednesday brachte nur ein Piepsen heraus. Hastig stand sie auf.
»Davon hast du bisher aber gar nichts gesagt! Ist das nicht
gefährlich? Und wie kommen wir dorthin?«
    »Das war der zweite Grund, dich hierher zu schicken«,
fuhr Hermann knallhart fort. »Der dritte Grund ist folgender:
Ich bin ein geheimer Nachrichtendienst mit großer Reichweite
und arbeite über Kausalkanäle. Allerdings bin ich in hohem
Maße von der Kohärenz eines bestimmten Zustands
abhängig, und diese Kohärenz kann nur innerhalb dieses
Lichtkegels aufrechterhalten werden. Jedes Mal, wenn das Raumschiff,
auf das ich meine Aufmerksamkeit konzentriere, einen Sprung mit
Überlichtgeschwindigkeit tut, verliere ich den Kontakt. Du bist
mein Reset-Schalter, durch dich kann ich den Kontakt später
wiederherstellen. Außerdem deckst du auch meine blinden Flecken
ab. Wenn kritische Situationen eintreten und ich nicht erreichbar
bin, bist du intelligent und einfallsreich genug, an Bord des
Schiffes als meine Beauftragte zu agieren, wenn du hinreichend
informiert bist. – Also, bist du bereit?«
    »Bereit für…« Wednesday holte tief Luft.
»Zu was soll ich bereit sein?«, fragte sie verwirrt und
leicht beunruhigt. »Ist die Sache gefährlich?« Sie zog
ihre Jacke an (die sie zu einem knöchellangen Mantel
verlängert hatte; das gute Stück war zwar extravagant, aber
so dünn, dass es weder vor Wind noch vor Regen schützen
würde).
    »Ja.«
    »Oh, wie nett.« Wednesday zog eine Grimasse. »Sonst
noch was?«
    »Ja. Du solltest dir über ein paar Dinge im Klaren sein.
Zum einen: Es ist noch ein anderer meiner menschlichen Agenten in die
Sache involviert. Der Mann heißt Martin Springfield. Falls du
ihm begegnen solltest, kannst du ihm bedingungslos vertrauen. Er
agiert als mein inoffizieller Verbindungsmann zu einer weiteren
diplomatischen Instanz, die in dieser Sache ermittelt – mehr
oder weniger auf unserer Seite. Zum anderen muss ich mich bei dir
entschuldigen.«
    »Ent…« Wednesday blieb die Spucke weg. »Was
soll das denn heißen?«, fragte sie
misstrauisch.
    »Ich hab’s nicht geschafft, die Zerstörung deiner
Heimatwelt zu verhindern. Ich mache mir Sorgen, Wednesday. Denn mein
ganzer Lebenszweck – besser ausgedrückt: der Lebenszweck
dieser Komponente – besteht ja gerade darin, derartige Dinge zu
verhindern. Wenn ich das nicht schaffe, deutet das auf ein Versagen
meiner Warnmechanismen hin. Und ein Informationsmangel meinerseits
deutet darauf hin, dass diejenigen, die für die Zerstörung
Moskaus verantwortlich sind, weit mächtiger sind als angenommen.
Oder im Auftrag einer solchen mächtigen Instanz
handeln.«
    Wednesday lehnte sich gegen die Wand. »Wie bitte? Aber du
bist doch das Eschaton!«
    »Nicht ganz. Allerdings stimmt es, dass ich eine Komponente
der kollektiven Intelligenz bin, die man gemeinhin als das Eschaton
bezeichnet.« Hermanns Stimme klang inzwischen völlig
ausdruckslos, als wollte er darauf hinweisen, dass jede
Klangmodulation nur ein akustischer Trick sei. »Das Eschaton
schützt und bewahrt die globale Kausalität in einem
Bereich, dessen Radius rund tausend Parsec beträgt. Das tut es,
indem es sich selbst Informationen in die eigene Vergangenheit hinein
übermittelt. Aufgrund dieser Informationen können wir
Anomalien in der Raumzeit bereinigen. Derartige Paradoxien in der
Raumzeit sind ein unvermeidlicher Nebeneffekt, wenn man Reisen mit
Überlichtgeschwindigkeit