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Supernova

Supernova

Titel: Supernova Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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Terminplan
nirgendwo entdecken. Möchten Sie einen neuen Termin für
einen Tag in der nächsten Woche ausmachen?«
    »Mein Schiff legt übermorgen von Neu-Dresden ab«,
erwiderte Frank so ruhig wie möglich. »Also kommt
nächste Woche überhaupt nicht in Frage. Wäre es
möglich, stattdessen ein telefonisches Interview mit Minister
Baxter zu vereinbaren? Falls Sie Bedenken wegen eines
Sicherheitsrisikos haben: Es muss ja kein Gespräch von Angesicht
zu Angesicht stattfinden.«
    »Ich frage nach.« Der Schirm wurde einen Moment lang
dunkel. »Tut mir Leid, Sir, aber der Minister ist bis
nächsten Donnerstag für niemanden zu sprechen. Kann ich
Ihnen dabei behilflich sein, irgendetwas anderes zu arrangieren? Zum
Beispiel via Langstrecken-Kanal?«
    »Da muss ich erst mein Budget prüfen«, gestand
Frank. »Für so etwas habe ich nur einen beschränkten
Etat. Kann ich Sie deswegen nochmals kontaktieren? Und könnten
Sie wohl noch einmal nachsehen, ob ich wirklich nirgendwo auf Ihrer
Liste aufgeführt bin? Wenn der Minister nicht zur Verfügung
steht, könnte ich dann vielleicht ein Gespräch mit
Botschafterin Morrow führen?«
    »Tut mir Leid, aber die Botschafterin ist ebenfalls
beschäftigt. Wie ich schon sagte, Sir, Sie haben so ziemlich die
ungünstigste Woche für ein Interview erwischt. Falls Sie
die Sache mir überlassen möchten, will ich sehen, was ich
tun kann, aber versprechen will ich nichts.«
    Frank verstaute das Handy, das er hier unten benutzte, und stand
müde auf. In Zeiten wie diesen fühlte er sich so, als laufe
er mit verbundenen Augen durch einen glitschigen Gang, auf dem ein
kosmischer Spaßvogel Bananenschalen ausgelegt hatte. Warum
jetzt? Warum hatten sie ausgerechnet jetzt so viel Pech in dieser
verdammten Angelegenheit? Ein Zitat von Baxter oder auch nur von
Morrow, in dem zugegeben wurde, dass deren Amtskolleginnen und
-kollegen in der Schusslinie Unbekannter standen, hätte jede
Menge Sprengstoff geboten. Nur spielten die beiden nicht mit. Das
Ganze roch nach einer diskret vorgenommenen Sicherheitssperre: Fest
vereinbarte Interviews platzten, öffentliche Auftritte
beschränkten sich auf sorgfältig überwachte Bereiche
und fanden nur vor Gästen statt, die man sämtlich einer
Sicherheitsprüfung unterzogen hatte. Und während alles
drunter und drüber ging, tat man so, als laufe alles völlig
normal und stritt jegliche Vermutungen höflich ab. Das erinnerte
ihn an frühere Dinnerpartys seiner Mutter: Sie hatte versucht,
auf diese Weise wieder in den magischen Kreis derjenigen
vorzudringen, die politisch etwas bewegen und entscheiden konnten.
Und das, obwohl diese Leute sie schon beim ersten Versuch hatten
fallen lassen, nachdem sie in der Wahl unterlegen war.
    Im Park war die Luft immer noch kühl und ein bisschen feucht,
doch die beheizten Bänke waren so trocken, dass Frank bestimmte
Dinge von hier aus erledigen konnte. Danach klappte er sein mobiles
Büro zu und stand auf. Die Pappeln trieben Knospen. Langsam ging
er unter einem Baldachin von Palmkätzchen hindurch, die im
leichten Morgenwind auf und nieder schwankten und Stäubchen
verbreiteten. An einem der bronzenen Kriegerdenkmäler, die hier
so herzzerreißend oft zu sehen waren, traf der Weg mit zwei
anderen zusammen. Frank blieb einen Augenblick stehen, um das Denkmal
mit Hilfe seiner Brille einzuscannen und für die Ewigkeit
festzuhalten. Vor fast hundert Jahren hatte genau an dieser Stelle
ein gegnerisches Bataillon den Streitkräften der Eroberer, die
alles überrannt hatten, beherzt Widerstand entgegengesetzt. Die
großen Kämpferseelen der Unterlegenen waren in die
Walhalla eingegangen. Die Sieger hatten die Stele nicht aus
Großmut errichtet, sondern mit der subtileren Absicht, ihre
eigene Tapferkeit größer herauszustellen. Niemand
brüstet sich gern damit, ein paar verängstigte, verhungerte
und schlecht ausgerüstete Rekruten niedergemetzelt zu haben. Es
ist leichter, als Held dazustehen, wenn die bezwungenen Feinde als
Riesen beschrieben werden. Auch dieses Thema würde er
anschneiden müssen, sollte er je nah genug an die ehrenwerte
Elspeth Morrow herankommen, um sie interviewen zu können.
»Wie fühlt man sich denn so, wenn man hundertvierzig
Millionen Kinder, neunzig Millionen Alte und Gebrechliche und weitere
sechshundert Millionen ganz normale Menschen zum Tode verurteilt?
Menschen, die zufrieden damit waren, sich um die eigenen
Angelegenheiten zu kümmern, und nicht einmal wissen, wer Sie
sind.«
    Ein Stückchen

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