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Supernova

Supernova

Titel: Supernova Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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Tunnel tief unter den
Meeren und Kontinenten dahinraste. Typisch, warum haben sie den
Raumaufzug nicht näher an der Hauptstadt errichtet? Oder die
Stadt anderswo hingebaut?, moserte sie vor sich hin. Offenbar
kostete es viel Zeit, auf einem Planeten herumzukommen – und das
ohne zwingenden Grund.
    Sarajevo war eine alte Stadt mit vielen Steingebäuden und
Wolkenkratzern aus Stahl und Glas. Die Sauerstoffversorgung war
schlecht: Ständig traten seltsame Luftwirbel und
Luftströmungen auf. Und an Stelle einer vernünftigen
Überdachung gab es hier nur eine wirklich verwirrende,
deprimierende Plasma-Projektion aus blau-weißen Fraktalen.
Außerdem war die Stadt voller schräger Leute in bizarren
Klamotten, die es eilig hatten und unbegreifliche Dinge taten.
Wednesday kam an drei Frauen vorbei, die zwischen Bank-Terminals hin
und her wuselten. Ihre Bauerntrachten waren Imitationen: Nie war
Neu-Dresden so rückständig gewesen, dass es hier einen
richtigen Bauernstand gegeben hätte. Das nächste
Grüppchen trug Plastikkleidung in grellen Regenbogenfarben und
raste auf Rollschuhen durch die Gegend, während ihm winzige
ferngesteuerte Abspielgeräte um die Ohren summten. Wagen, die
wie zusammengeschrumpft aussahen, schlichen fast lautlos durch die
Straßen. Ein Bursche in dreckiger, zerrissener
Bergsteigerausrüstung, zu dessen Füßen ein
zusammengefaltetes aufblasbares Zelt lag, wollte ihr offenbar eine
leere Kaffeetasse aus Keramik anbieten. Leute mit leuchtenden Brillen
reagierten mit Gesten auf unsichtbare Interfaces. Vor den Menschen,
die eine Wegbeschreibung benötigten, tanzten ringsum Laserpunkte
auf und ab. Das hier war nicht wie Septagon, sondern…
    Hier ist es wie zu Hause, wäre meine Heimatwelt
größer, greller und weiter entwickelt gewesen, wurde
ihr klar, als sie die neuen Eindrücke irgendwie mit der
Erinnerung an den letzten Familienbesuch bei der Großmutter auf
Moskau verband. Ihr fiel auf, dass es kaum einen Unterschied zu
Moskau gab. Anfangs hatte sie sich Sorgen darüber gemacht, ob
sie hier wirklich solche Partykleidung tragen konnte, in der sie sich
zu Hause wohl gefühlt hätte. »Mach dir keinen Kopf
darum«, hatte Hermann erwidert. »Moskau und Dresden sind
beides McWelten – die ersten Siedler hatten einen ähnlichen
Hintergrund und ähnliche Neigungen. Diese Kultur wird dir
vertraut vorkommen. Du kannst dem Netz der Medien dafür danken.
Es wird da nicht so sein wie in der Neuen Republik oder Turku, nicht
mal so unterschiedlich wie beispielsweise im Septagon.« Und
Hermann hatte völlig Recht behalten. Selbst die
Straßenschilder sahen gleich aus.
    »Und mit diesen Menschen hätten wir beinahe Krieg
geführt?«, fragte sie.
    »Aus den üblichen idiotischen Gründen«,
erwiderte Hermann. »Handelskonkurrenz und Handelsvorteile,
Einwanderungspolitik, politische Unsicherheiten, billiger Transport
mit Unterlichtgeschwindigkeit – so billig, dass es den Handel
erleichterte, aber zu teuer, um eine Föderalisierung oder andere
Annäherungen zu forcieren; ich meine solche Schritte, wie
menschliche Nationen sie üblicherweise unternehmen, um die
Kriegsgefahr zu mindern. Als die McWelten besiedelt wurden, brachten
sie allesamt etwas von der vorherrschenden globalisierten Kultur der
Erde mit. Allerdings haben sie sich seither in unterschiedliche
Richtungen entwickelt, in manchen Fällen sogar in völlig
unterschiedliche. Mach nicht den Fehler zu denken, du könntest
hier gefahrlos über Politik oder Regierungsmaßnahmen
diskutieren.«
    »Als ob ich das vorhätte.« Wednesday folgte ihrem
grünen Punkt um eine Ecke herum und eine Wendeltreppe hinauf,
die zu einer Fußgängerbrücke führte. Danach
gelangte sie in eine überdachte Fußgängerzone.
»Wo soll ich mich mit Frank treffen?«
    »Eigentlich müsste er schon hier sein und auf dich
warten. An dieser Straße – dort.«
    Er saß vor einer abstrakten Bronzeskulptur auf einer Bank
und hämmerte auf seine uralte Tastatur ein, um die Zeit
totzuschlagen. »Frank, geht’s Ihnen gut?«
    Als er zu ihr aufblickte, verzog er das Gesicht. Vielleicht war
die Grimasse als Lächeln gemeint, aber sie fühlte sich
dadurch wenig beruhigt. Um die Augen hatte er rote Ränder und
darunter tiefe Tränensäcke. Außerdem sah er so aus,
als wäre er seit Tagen nicht aus seinen Kleidern gekommen.
»Ich… ich denke schon.« Er schüttelte den Kopf.
»Brr.« Danach gähnte er herzhaft. »Hab lange
nicht geschlafen…« Er führte es nicht weiter aus.
    Zu viele

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