Supernova
zulässt oder mit einer kollektiven
Intelligenz arbeitet, die zeitartige logische Mechanismen anwendet.
Ich empfange Anweisungen aus der tiefen Raumzeit und führe sie
in dem Wissen aus, dass ich dadurch etwas Wesentliches
gewährleiste: Der nachfolgende Zustandsvektor wird zumindest so
lange existieren, dass diese Anweisungen überhaupt gegeben
werden konnten. Falls ich keine derartigen Anweisungen
erhalte, kann es sein, dass die Ereignisse von mir – oder von
meinem künftigen Zustandsvektor – nicht beobachtet werden
können. Diese Situation kann eintreten, falls das Eschaton
zerstört oder aus der Zukunft dieses Zeitpfades getilgt wird.
Ich will dir damit beibringen, Wednesday, dass ich es eigentlich
hätte schaffen müssen, die Vernichtung Moskaus zu
verhindern. Dass ich dabei versagt habe, wirft Fragen auf, die mein
künftiges Überleben betreffen.«
»Oh, Scheiße! Willst du damit sagen,
dass…«
»Offenbar ist ein ausgeklügeltes Spielchen gegen mich im
Gange, allerdings weiß ich derzeit nicht, welche Seite oder
Seiten dieses Spielchen betreiben. Meine frühere
Einschätzung, dass die Bedrohung von den Übermenschen
ausgeht, widerrufe ich hiermit. Es ist mir zwar durchaus klar, dass
sie mich gern vernichten würden, und ich weiß auch, wozu
sie fähig sind, und habe seit geraumer Zeit Gegenmaßnahmen
ergriffen, aber diese Bedrohung geht von einer höheren
Instanz aus. Wir müssen jetzt in Betracht ziehen, dass in der
Zukunft dieses Lichtkegels eine Intelligenz auftauchen kann, die dem
Eschaton feindlich gesonnen und ihm ebenbürtig ist.
Möglich, dass eine Fraktion der Übermenschen von einer
solchen externen Wesenheit manipuliert wird. Meine Fähigkeit zur
Vorausschau steht aus all diesen Gründen in Frage. Alternative
Module sekundärer Logik – sie stützen sich im Licht
jüngerer Beobachtungen auf das Wahrscheinlichkeitstheorem von
Thomas Bayes – sind zu dem Schluss gekommen, dass man dir
möglicherweise einen Trupp Agenten auf den Hals schicken wird,
sobald du auf das Schiff zurückkehrst. Doch das ist reine
Spekulation. Jedenfalls musst du stets auf der Hut sein. Deine
Aufgabe besteht darin, die Handlanger des Feindes aus der Reserve zu
locken und ans Licht zu zerren, damit ich weiß, mit wem wir es
zu tun haben, angefangen bei der Gedenkfeier in der Botschaft. Falls
dir das nicht gelingt, könnte das noch viel Schlimmeres als die
Vernichtung eines einzigen Planeten zur Folge haben.«
Klick. »Oh, Scheiße.« Einen Augenblick lang
dachte sie, all das schon irgendwie verkraften zu können, doch
gleich darauf drehte sich ihr der Magen um. Sie schaffte es gerade
noch rechtzeitig auf die Toilette und hielt das trockene Würgen
zurück, bis sie über der Schüssel hing. Warum
gerade ich? Wie bin ich bloß in diesen Schlamassel
hineingeraten?, fragte sie den Spiegel, während sie
schnaubte und die Tränen zu trocknen versuchte. Das ist ja
so, als lastete irgendein Fluch auf mir!
Fünfzig Minuten später stieg eine recht angeschlagene,
aber gefasstere Wednesday aus der Kabine des Raumfahrstuhls und ging
die zwei Stufen zur Ankunftshalle aus Stahl und Beton hinunter.
Nachdem sie dem Beamten der Neu-Dresdner Einwanderungsbehörde
ihren Pass gezeigt hatte, stolperte sie blinzelnd in die Sonne des
Spätnachmittags.
»Meine Güte«, sagte sie leise. Als sich ihre Ringe
mit einem Vibrieren meldeten, seufzte sie. »Sperre
aufrieben.«
»Fühlst du dich jetzt ein bisschen lockerer?«,
fragte Hermann, als sei nichts passiert.
»Ich denke schon.«
»Gut. Bitte achte jetzt darauf, wohin wir gehen. Ich habe
dein Ziel ins öffentlich zugängliche Geo-Suchsystem
eingegeben. Folge dem grünen Punkt.«
»Grüner Punkt – in Ordnung.« Als der Punkt auf
dem Boden auftauchte, ging Wednesday ihm teilnahmslos hinterher, denn
sie fühlte sich erschöpft und deprimiert. Sie hatte sich
schon fast in Vorfreude auf den Empfang hineingesteigert, als
Hermanns neue Mitteilungen sie erneut aus dem Gleichgewicht gebracht
und den Anflug von Optimismus im Keim erstickt hatten. Vielleicht
würde Frank es schaffen, sie wieder aufzumuntern, aber im
Augenblick wäre sie am liebsten in ihre Luxuskabine
zurückgekehrt, um sich hinter verriegelter Tür bis zur
Besinnungslosigkeit zu betrinken.
Drei weitere langweilige Stunden vergingen, bis sie in der
Hauptstadt ankam. Sie verbrachte die Zeit damit, auf den Sitzen der
Magnetschwebebahn zu dösen, die mit einer Geschwindigkeit von
mehreren tausend Stundenkilometern durch einen
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