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Supernova

Supernova

Titel: Supernova Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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weiter kam Frank an einem Gartenroboter vorbei,
der Streife ging. Dem Geruch nach zu urteilen, sammelte er entweder
tote Schnecken oder Hundekot auf, um sie zu kompostieren. Manche
Leute führten hier am frühen Morgen ihre Vierbeiner Gassi.
Zwischen den Bäumen, die an diesem Weg weiter auseinander
standen, luden Parkbänke zum Rasten ein, jenseits davon
erstreckten sich Felder. Jede Bank war mit einer kleinen Zinnplatte
versehen. Im Lauf der Jahre waren die Schilder so verwittert, dass
sie fast grau aussahen. In liebevollem Gedenken an den Gefreiten
Ivar Vincik, gestiftet von seinen Eltern, las Frank. Und Für immer von uns gegangen, aber nicht vergessen: Georg
Legat, Feldwebel der Artillerie. Der Park stellte seine
Geschichte so stolz heraus, als brüste er sich mit Medaillen
– von den Gefallenendenkmälern bis zum weißen
Beinhaus, das aus den Schädeln und Schenkelknochen des
gegnerischen Bataillons errichtet worden war und heutzutage von den
Parkwächtern zur Aufbewahrung von Rasenmähern genutzt
wurde.
    Von der Stelle aus, an der keine Bäume mehr standen,
führte der Weg abwärts, zu einer unterirdischen Passage aus
Beton. Sie verlief unterhalb der Straße, die den Park vom
Stadtzentrum trennte – sofern man es heute überhaupt noch
ein Zentrum nennen konnte. Anfangs hatte sich hier ein kleines,
verschlafenes Dorf befunden, bis es Opfer der Schlacht geworden war.
Danach war an derselben Stelle ein neues Dorf entstanden, das sich zu
einer kleinen Stadt ausgewachsen hatte. Die nächste Schlacht
hatte auch diese Stadt in Schutt und Asche gelegt. Später war
die Stadt wieder aufgebaut worden und hatte sich mit der Zeit in eine
Großstadt verwandelt, die durch schweren Bombenhagel erneut
zerstört und erneut wieder aufgebaut worden war.Dann war aus der Fußgängerzone, die
Vondrak zerschnitten hatte, der riesige Gebäudekomplex geworden,
der sich alles einverleibt hatte: lauter Betontürme und
glänzende, gläserne, von Penrose-Ziegeln [6] gedeckte Dächer. Wie ein schlafender Riese erstreckte sich
dieser Komplex über die Landschaft. Der Ort war von Geschichte
schier verseucht, und die Kriegsdenkmäler markierten die
Stellen, die am schlimmsten kontaminiert waren.
    Es war ein stiller Tag, dennoch herrschte leichter Verkehr. Sogar
so früh am Morgen waren hier unten schon einige Menschen
unterwegs: ein Paar, das joggte, drei Kinder auf Stelzen, eine alte
Frau mit einem riesigen Rucksack und zerschlissenen Stiefeln. Sie
wirkte so drahtig wie eine geübte Wanderin und brütete
gerade über einer uralten digitalen Wanderkarte. Auf der
erhöhten Straße brummte eine Kolonne örtlicher
Lieferwagen vorbei, die sich wie eine Schlange von Entchen an den
Fernfahrten-Schlepper angehängt hatte. Oben zog eine Möwe,
die verblüffend weit ins Inland vorgedrungen war, ihre Kreise
und meldete mit rauem Krächzen ihre Gebietsansprüche
an.
    »Wann geht der nächste Zug nach Potrobar?«, fragte
Frank laut.
    »Ihnen bleiben noch neunundzwanzig Minuten. Optionen:
Reservierung vornehmen. Weg zum Bahnhof anzeigen. Oder
nachprüfen, ob…«
    »Bitte Reservierung vornehmen und Weg anzeigen.« Das
hier überall verbreitete Geo-Computernetz war im Vergleich zu
den vielfältigen Diensten auf der Erde zwar primitiv, aber es
tat, was man ihm auftrug. Und das, ohne animierte Werbegrafiken
einzublenden – ein wahrer Segen. Vor ihm flackerte ein
leuchtender Pfad auf, der zu einem der Eingänge des riesigen
Gebäudekomplexes wies. Frank folgte dem Pfad, ging über das
dekorative Kopfsteinpflaster Richtung Bahnhof und kam dabei an einer
munter schnatternden Schar von Einradfahrern und einem Brunnen
vorbei, dessen Erosstatue unter Harndrang litt.
    Der Bahnhof befand sich auf Ebene 6 und bestand aus einem
verglasten Atrium. An einer Seite gelangte man durch
Schiebetüren zu den Zugabteilen. Frank fläzte sich auf
einen Sitz und hackte ziellos auf die Tastatur seines Notebooks ein
(zwar versuchte er, die Atmosphäre und das Innenleben dieses
Bahnhofs aus Chrom und Beton einzufangen, doch das war ähnlich
schwierig, wie aus einem Stück verbrannter Holzkohle
Rückschlüsse auf den lebenden Baum zu ziehen, dachte er
frustriert), als sich sein Telefon meldete. »Ja?« Er
schaltete bewusst nur den Sprechmodus seines Notebooks ein, denn an
diesem Ort, an dem sich die Menschen drängten, bestand allzu
leicht die Gefahr, dass sich irgendjemand Franks Gerät
schnappte, sofern ihm Kamera und Scanner auffielen.
    »Frank? Ich bin’s. Ich bin hier, wo

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