Supernova
Besatzungslisten aus. Ehrlich gesagt, sind wir beide
mit der Suche völlig überfordert. Wenn Sie dem Kapitän
etwas Stichhaltiges zu berichten haben, wird es mir eher gelingen,
zusätzliche Unterstützung zu bekommen.«
»Gut, dann wollen wir mir dem Kapitän sprechen.«
Martin stand auf. »Möchtest du, dass ich dich
begleite?«
Rachel holte tief Luft. »Glaubst du, du kannst eine Weile
ohne uns auskommen? Ich glaube nicht, dass es lange dauern wird, ihr
die nötigen Informationen zu geben…«
»Ich mache dann weiter.« Martin schüttelte den
Kopf. »Bin immer noch dabei, die Passagierlisten der
Touristenklasse durchzugehen. Dachte, das sei einfach, doch dann hat
Steffi hier die Frage aufgeworfen, ob es nicht auch möglich
wäre, dass ein Passagier von Bord geht, abreist, den Auftrag
erledigt und sich dann unter einem anderen Namen in einer anderen
Klasse wieder einbucht. Das ist wirklich ein Dilemma.«
»Nicht ganz«, mischte sich Steffi unaufgefordert ein.
»Wir haben einige biometrische Muster abgespeichert. Allerdings
sind wir nicht auf regelrechte polizeiliche Durchsuchungen unserer
Kundendateien eingerichtet. Und normalerweise brauchten wir auch eine
schriftliche Anweisung von höherer Stelle, wenn wir jedermanns
Genom inspizieren wollten…« Sie verdrehte die Augen zur
Zimmerdecke. »Also, sollen wir dem Kapitän einen Besuch
abstatten?«
Kapitän Nazma Hussein hatte keinen guten Tag.
Zuerst hatte sie den Start wegen irgendeines blöden
Schlamassels da unten um sechs Stunden verschieben müssen.
Außerdem hatte sie wegen dieser Sache auf zwei Passagiere
warten müssen, deren diplomatischer Einfluss ausreichte, das
Schiff am Ablegen zu hindern, auch wenn jede Stunde Verzögerung
Tausende kostete. Danach war in einem der vier Leckagetanks, die die
untere Halbkugel der Schiffshülle umgaben, ein Problem bei der
Austarierung der Masse aufgetreten, eine Instabilität im Fluss,
die darauf hindeutete, dass während des letzten
Andockmanövers eine Schlingerwand beschädigt worden war.
Als sie es endlich geschafft hatte, vom Flugdeck wegzukommen, nachdem
sie Victor mit den Startvorbereitungen beauftragt hatte, hatte vor
ihrem Schreibtisch schon eine ganze Menschenschlange auf Anweisungen
oder die Schlichtung von Streitigkeiten gewartet, vorne dran der
stellvertretende Chefsteward. Und jetzt das hier…
»Erklären Sie’s mir noch einmal«, sagte sie
und bemühte sich nach Kräften, forsch und gelassen zu
wirken, was ihr nach einer zwölfstündigen Schicht stets
schwer fiel. »Was genau wird Ihrer Meinung nach auf meinem
Schiff geschehen?«
Die Diplomatin sah genauso müde aus, wie sie selbst sich
fühlte. »Einer oder mehrere Ihrer Passagiere, vielleicht
auch ein Besatzungsmitglied mit Zeitvertrag, hat in jedem Anlaufhafen
den Landurlaub dazu benutzt, Menschen umzubringen«,
erklärte sie erneut. »Deshalb bin ich beauftragt,
dafür zu sorgen, dass es nicht noch einmal geschieht. Was ja
alles schön und gut ist, nur habe ich einen Grund anzunehmen,
dass der Mörder auf höheren Befehl handelt.
Möglicherweise wird er mit allen verfügbaren Mitteln
versuchen, die Spuren zu vertuschen.«
»Mit allen verfügbaren Mitteln?« Kapitän
Hussein zog eine sorgfältig gestylte Augenbraue hoch.
»Meinen Sie damit, dass Zeugen oder Passagiere umgebracht werden
könnten? Oder denken Sie an Aktionen, die die Betriebssicherheit
meines Schiffes gefährden könnten?«
Die Frau – Rachel Soundso, sie hatte sich den Namen der
Diplomatin nicht gemerkt – zuckte die Achseln. »Ich
weiß es nicht«, sagte sie unverblümt. »Tut mir
Leid, aber ich kann Sie nicht beruhigen, denn diesem Abschaum ist
alles Erdenkliche zuzutrauen. Als ich gestern unten war, haben
wir’s geschafft, den jüngsten Anschlag zu verhindern.
Allerdings ist die Falle nicht zugeschnappt. Und das liegt vor allem
an der bemerkenswerten Bereitschaft der Täter, auch den Tod
unbeteiligter Zuschauer in Kauf zu nehmen. Offenbar haben sie anfangs
versucht, sich möglichst bedeckt zu halten und sehr vorsichtig
zu operieren, aber mittlerweile sind sie bereit, für ihre Ziele
über jede Menge Leichen zu gehen. Ich kann also nicht
garantieren, dass sie hier keine Dummheiten machen.«
»Na, das ist ja wunderbar.« Nazma Hussein wandte den
Blick zum Bildschirm, auf dem sich unzählige Meldungen gesammelt
hatten. Zahlreiche Leisten blinkten rot auf: Sie zeigten kritische,
einander widersprechende Angaben zur Flugbahn, einander
überlappende Funktionen, die
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