Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Supernova

Supernova

Titel: Supernova Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
Vom Netzwerk:
linken Schläfe war himmelblau. Die
Art, wie sie sich an ihn lehnte, verriet, dass es hier um mehr ging
als um ein lockeres Freundschaftsverhältnis. Ach, wie goldig, dachte Martin zynisch. Der Verfasser des Online-Journals der Times musste fast zwei Meter groß sein, war aber so
breit gebaut, dass er stämmig wirkte, obwohl er nicht dick war.
Er hatte kurz geschnittenes, von silbernen Strähnen durchzogenes
schwarzes Haar, trug eine große altmodische Datenbrille mit
Hornfassung und ebenfalls schwarze Kleidung, aus Leder.
    Während die Frau leise mit ihm redete, stützte sie hin
und wieder das Kinn auf seine Schulter. Der Gorilla war ganz Ohr,
grunzte nur ab und zu etwas Bestätigendes. Sie waren so
ineinander vertieft, dass sie offenbar gar nicht bemerkt hatten, wie
Martin sie beobachtete. Also los, dachte er und ging
hinüber.
    »Hallo«, sprach er sie leise an. »Sind Sie,
ähm, Frank Johnson von der Londoner Times?«
    Der Gorilla zog eine Augenbraue hoch und musterte ihn scharf. Auch
die junge Frau starrte ihn an. Bis auf ihren zarten Knochenbau, ihre
Bestürzung und die schwarz lackierten Fingernägel nahm
Martin kaum Notiz von ihr. »Wer sind Sie, dass Sie danach
fragen?«, sagte der stämmige Bursche.
    Martin nahm ihnen gegenüber Platz, wobei er in keineswegs
eleganter Haltung in dem allzu weich gepolsterten Sofa versank.
»Mein Name ist Springfield. Ich arbeite im Diplomatischen Dienst
der Vereinten Nationen.« Seltsame Reaktion, fiel ihm
beiläufig auf. Beide wirkten plötzlich angespannt, als sie
ihm ihre Aufmerksamkeit zuwandten. Was ist da los? »Sind
Sie Frank Johnson? Ehe ich weiterrede…« Er hielt seinen
Diplomatenausweis hoch, den der stämmige Bursche mit
zusammengekniffenen Augen kritisch musterte.
    »Ja«, sagte er mit dröhnender Stimme. »Und Sie
kommen nicht zufällig hier vorbei, nicht wahr?« Als er sich
nachdenklich den linken Arm rieb und dabei leicht zusammenzuckte,
ging Martin ein Licht auf.
    »Haben Sie gestern Abend an dem Empfang in der Moskauer
Botschaft teilgenommen?« Martin sah die junge Frau an. »Sie
beide oder einer von Ihnen?« Sie fuhr zusammen, lehnte sich
gleich darauf wieder an den stämmigen Burschen, wandte den Blick
ab und tat so, als ginge sie die ganze Sache nichts an.
    »Ich sehe einen Diplomatenausweis«, bemerkte Frank
Johnson abwehrend und starrte Martin an. »Und irgendeinen Mann,
der gezielte Fragen stellt. Und jetzt frage ich mich, ob das
Büro des Chefstewards mir auf meine Anfrage bestätigen
wird, dass dieser Ausweis echt ist. Nehmen Sie mir’s nicht
übel, aber man könnte Ihre Fragen durchaus als Angriff auf
journalistische Sonderrechte betrachten.«
    Martin lehnte sich zurück und betrachtete den Mann. Er sah
nicht dumm aus, nur sehr kräftig, in Gedanken verloren und… Ha, ich muss ja irgendwie anfangen, nicht wahr? Und er zählt
keineswegs zu den Hauptverdächtigen. »Möglich«, erwiderte er nachdenklich. »Aber
ich frage Sie das nicht aus Jux und Tollerei.«
    »Also gut. Warum erzählen Sie mir nicht, was Sie wissen
möchten und warum? Dann sage ich Ihnen, ob ich Ihre Fragen
beantworten kann.«
    »Hm.« Martin kniff die Augen zusammen. Die Frau starrte
ihn mit unverhohlenem Interesse an. »Falls Sie in Sarajevo in
der Moskauer Botschaft waren, haben Sie vermutlich recht viele Tote
gesehen.« Der Journalist fuhr zusammen. Offenbar ins Schwarze
getroffen. »Vielleicht wussten Sie nicht, dass
Ähnliches schon früher passiert ist. Wir haben guten Grund
anzunehmen, dass sich die dafür Verantwortlichen«, er
schwieg kurz, um die Wirkung seiner Worte abzuschätzen, »an
Bord dieses Schiffes befinden. Selbstverständlich kann ich Sie
nicht dazu zwingen, mit mir zu reden. Aber falls Sie irgendetwas
wissen und es mir nicht mitteilen, helfen Sie denjenigen
davonzukommen, die all diese Menschen auf dem Gewissen haben.« Der Schutzwall gerät ins Wanken. Der Journalist nickte
kaum merklich, denn unbewusst gab er Martin Springfield Recht –
und das untergrub seinen unerschütterlichen Glauben an
journalistische Neutralität. »Um die Ermittlungen
voranzutreiben, versuche ich derzeit, mir ein genaues Bild von den
Ereignissen dieses Abends zu machen. Und wenn Sie sich zu einer
Aussage entschließen könnten, wäre das sehr
hilfreich.« Er zuckte beiläufig die Achseln. »Ich bin
kein Polizist. Ich möchte nur jedem Hinweis überlebender
Zeugen nachgehen.«
    Frank runzelte die Stirn und beugte sich vor. »Falls Sie
nichts dagegen haben, möchte ich Ihren

Weitere Kostenlose Bücher