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Supernova

Supernova

Titel: Supernova Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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Übermenschen darum gebeten haben?«
    »Nicht ganz.« Während Hermann einige Sekunden
schwieg, tobte in Wednesday ein heftiger Widerstreit der
Gefühle: einerseits war sie entsetzt, andererseits vor Wut
außer sich. »Wenn die Übermenschen einen neuen
Planeten übernehmen, marschieren sie nicht einfach ein, um alles
mit vorgehaltener Waffe an sich zu bringen. Sie infiltrieren den
Planeten, indem sie für eine Krise sorgen, und lassen sich dann
hereinbitten, um die Lage zu befrieden. Ihr wichtigstes Instrument
ist ihre Erfahrung und Geschicklichkeit, was Uploading und neurale
Interfaces betrifft. Zwar setzen sie als indirektes Druckmittel oft
auch Erpressung ein, doch häufiger gehen sie so vor, dass sie
Beamten mit Schlüsselpositionen im Mittleren Dienst das Gehirn
entfernen, die bestehende neurale Struktur kopieren und danach eine
Implantation vornehmen. Manchmal lassen sie die Persönlichkeit
intakt und fügen nur einen Kontrollchip ein. Es kommt aber auch
vor, dass sie die Persönlichkeit völlig auslöschen und
den Körper in eine ferngesteuerte Marionette aus Fleisch und
Blut verwandeln. Da sie zur Steuerung des Körpers einen
Kausalkanal benutzen, können sie sicherstellen, dass niemand die
Lenkung durch einen Bevollmächtigten der Übermenschen
bemerkt – es sei denn, bei der Marionette wird ein Scan des
Gehirns vorgenommen, oder sie muss mit Überlichtgeschwindigkeit
reisen. Die Übermenschen sind geduldig. Wenn sie in einem neuen
System auftauchen, nehmen sie sich oft fünfzig bis hundert
Beamte in niedriger oder mittlerer Position vor und warten dann
zwanzig oder dreißig Jahre ab, bis eine oder mehrere ihrer
Marionetten in eine einflussreiche Stellung befördert wird. Es
ist ein sehr langwieriger und arbeitsreicher Prozess, aber sehr viel
billiger und sicherer als der Versuch, ganz offen einen galaktischen
Eroberungskrieg zu führen.«
    »Willst du damit sagen, dass sie so etwas
regelmäßig tun?«
    »Nicht oft. Bis jetzt haben sie nicht einmal zwanzig Welten
in ihre Gewalt gebracht. Meine Hochrechnungen besagen, dass sie
zumindest in den kommenden zweihundert Jahren noch keine wirkliche
Bedrohung darstellen werden.«
    »Oh.« Wednesday schwieg kurz. »Aber keiner der
Diplomaten ist deren Marionette«, bemerkte sie
nachdrücklich. »Zu ihren Botschaften sind sie nämlich
mit Überlichtgeschwindigkeit gereist. Also fehlt uns jeder
Beweis, stimmt’s?«
    »Nein, wir haben Beweise. Die Übermenschen konzentrieren
sich derzeit auf dich. Und die Dinge, die du vor der Evakuierung auf
Alt-Neufundland entdeckt hast, deuten darauf hin, dass die
Raumstation schon seit Jahren als Tor benutzt wurde, nur haben die
Unterwanderer auf Moskau schlampig gearbeitet. Dass die
Übermenschen sich jetzt darauf konzentrieren, Moskauer
Diplomaten aus dem Weg zu räumen, sagt an sich schon einiges
aus, allerdings ist mir noch nicht klar, welche Motive dahinter
stecken könnten. Offenbar will die dafür verantwortliche
Fraktion das Diplomatische Korps Moskaus dazu bringen, die R-Bomben
unwiderruflich nach Neu-Dresden starten zu lassen. Damit würden
sie dort eine politische Krise heraufbeschwören, die sich auch
auf andere Welten auswirken würde. Aber das kann man noch nicht
mit Sicherheit sagen.«
    »Aber du… du…«, Wednesday kämpfte um die
richtigen Worte, »du bist doch Teil des Eschaton. Kannst du sie
denn nicht daran hindern? Willst du sie nicht daran
hindern?«
    »Warum rede ich wohl mit dir?«, erwiderte ihre eigene
Stimme gelassen und voller Anteilnahme. »Ich kann die
Zerstörung Moskaus nicht rückgängig machen, denn die
Katastrophe hat keine Reaktion im temporalen Abwehrsystem des
Eschaton ausgelöst. Höhere Stellen prüfen derzeit, ob
das Eschaton selbst bedroht ist.
    Ich selbst versuche die Übermenschen daran zu hindern,
Neu-Dresden zu übernehmen – oder was sie sich sonst zum
Ziel gesetzt haben mögen. Außerdem versuche ich dafür
zu sorgen, dass die letzten technischen Berichte über das
Waffenprojekt auf Moskau nicht in ihre Hände gelangen, und ich
bemühe mich sicherzustellen, dass das Diplomatische Korps der
Erde die Bedrohung durch die Übermenschen erkennt. Nach den
Maßstäben des Eschaton ist das eine sehr maßvolle
Reaktion. Das Glaubenssystem der Übermenschen verlangt die
Zerstörung des Eschaton. Allerdings sind sie in ihrem Potenzial
davon noch so weit entfernt, dass sie die Verteidigungsreflexe des
Eschaton, die einen Erstschlag nahe legen würden, noch nicht
ausgelöst haben. Doch wenn

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