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Supernova

Supernova

Titel: Supernova Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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Abschnitt ist?«
    »Rede nicht so von oben herab mit mir.« Als sie seinen
Gesichtsausdruck bemerkte, hätte sie sich am liebsten auf die
Zunge gebissen. »Ja, Dad, ich hab doch analytische Geometrie
gehabt.«
    »Okay. Die Explosion verbreitet sich in einer Sphäre, in
deren Mittelpunkt, äh, unsere Heimat liegt. Wir folgen einer
geraden Linie – nein, eigentlich bewegen wir uns im Zickzackkurs
um eine gerade Linie herum, die zwei Punkte mit gleichem Potenzial in
der Raumzeit miteinander verbindet. Die Linie führt von der
Station, die außerhalb dieser Sphäre liegt, bis nach
Septagon, das außerhalb der Explosionssphäre, aber auf der
anderen Seite liegt. Unser erster Sprung führt uns in die
Sphäre der Explosion, wir dringen etwa drei Lichtmonate ein. Und
mit dem nächsten Sprung kommen wir auf der anderen Seite wieder
heraus.«
    »Wir fliegen direkt in die Explosion hinein?«
    Morris griff nach ihrer Hand. »Ja, Liebes. Es ist…«
Er blickte zurück auf den Bildschirm und duckte sich, um an
einem Kopf, der ihm die Sicht nahm, vorbeizuschauen. Wednesdays
Mutter hielt Jeremy fest, der sich dem Schirm zugewandt hatte. Sie
hatte ihm die Hände auf die Schultern gelegt. »Es ist nicht
gefährlich«, fuhr Morris fort. »Das wirklich schlimme
Zeug ist auf die Schockfront konzentriert, und deren Dicke
beträgt nur zwei Lichttage. Mit allem anderen kann unser
Schutzschild fertig werden, sonst hätte Kapitän Mannheim
uns um die Explosion herumgeführt. Aber das würde viel
länger dauern, deshalb…« Er brach ab, da vom
Bildschirm her eine Stimme mit starkem Akzent durch den Raum
drang.
    »Achtung, hier spricht Ihr Kapitän. In etwa einer Minute
beginnen wir mit dem Sprung, der uns nach Septagon Zentral
führen wird. Insgesamt werden wir fünf Sprünge hinter
uns bringen, jeweils im Abstand von siebzig Stunden, mit Ausnahme des
vierten, der sich um achtzehn Stunden verzögern wird. Unser
erster Sprung führt uns in die Schockfront der Supernova. Falls
Sie religiös sind, möchten Sie vielleicht den
Gedächtnisgottesdienst besuchen, der für alle Konfessionen
offen ist. Er wird in drei Stunden auf Deck G abgehalten. Danke
für Ihre Aufmerksamkeit.«
    Die Stimme brach so plötzlich ab, als hätte ihr jemand
den Saft abgedreht. Gleich darauf tauchte in einer Ecke des
Bildschirms eine Stoppuhr auf, die den Countdown zum Sprung in
Sekunden anzeigte. »Was werden wir jetzt tun?«, fragte
Wednesday leise.
    Ihr Vater sah so aus, als sei ihm die Frage unangenehm.
»Irgendeinen Ort suchen, wo wir leben können. Man hat uns
Hilfe zugesagt. Deine Mutter und ich werden uns wohl nach Arbeit
umsehen. Und versuchen, uns einzufinden…«
    Der schwarze, von Juwelen übersäte Himmel begann zu
funkeln; Lichter in allen Regenbogenfarben warfen ihre bunten
Schatten über die Zuschauer. Ein Seufzen ging durch den Raum,
denn die Ansicht des Raums wich jetzt dem Verrücktesten und
Schönsten, das Wednesday je erblickt hatte: Große,
schimmernde Vorhänge aus grünem, rotem und purpurfarbenem
Licht legten sich vor die Sterne, hauchdünne Gespinste aus
fluoreszierender Seide, die sich in heftigem Wind bauschten. Aus
ihrer Mitte strahlte ein heller Diamant in den Kosmos, blutrotes
Licht strömte von den Rändern nach außen.
»Hermann?«, flüsterte sie vor sich hin. »Siehst
du das?« Aber Hermann antwortete nicht. Plötzlich
fühlte sie sich leer, so hohl wie das Innere des kleinen Nebels,
in dem das Schiff jetzt dahintrieb. »Alles aus und vorbei«,
sagte sie laut, während ihr Tränen in die Augen schossen.
Sie wehrte sich nicht dagegen, dass ihr Vater sie in die Arme nahm.
Auch er weinte, schluchzte so heftig, dass seine Schultern bebten.
Einen Augenblick lang fragte sie sich, was er denn vermissen
würde. Als es ihr gleich darauf dämmerte, lief ihr ein
Schauer über den Rücken.

 
vom regen in die traufe
     
    »Darf ich fragen, was man mir vorwirft?«, erwiderte
Rachel bereits zum dritten Mal. Lass sie nicht an dich heran, sagte sie sich und forcierte ein nichts sagendes Lächeln. Ein Patzer – und sie drehen dir einen Strick
daraus.
    Das Tageslicht, das durch die Fensterwand in den Raum sickerte,
war durch die Schutzschicht vor den Scheiben blassblau
eingefärbt und der leuchtende Himmel über den fernen Bergen
zu schwachem Purpur abgedämpft. Sie sah über die Köpfe
ihrer Inquisitoren hinweg und konzentrierte sich auf den
Kondensstreifen eines Pendlerflugzeugs, das seine Spuren in der
glasklaren, glatten Stratosphäre

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