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Supernova

Supernova

Titel: Supernova Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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Taschenlampe ausgeschaltet, um Energie zu sparen. Sie hatte eine
Weile zu lesen versucht, außerdem einige isometrische
Übungen durchgeführt – wobei sie darauf geachtet
hatte, den Eimer ja nicht umzustoßen – und war danach
wieder in einen unruhigen Schlaf gefallen. Doch jetzt setzte die
Langeweile ein. Als sie durch die Wand ihrer Zelle die
Ankündigung gehört hatte, man müsse sich auf die
Räumung des Schiffes vorbereiten, hatte sie aufgeatmet. Wenn die
Flugpiraten die Passagiere jetzt vom Schiff schafften, würde ihr
niemand in die Quere kommen, wenn sie das tat, was getan werden
musste.
    Ein derart großes Linienschiff wie die Romanow summte
nicht und verursachte auch keinen Widerhall, wenn es irgendwo
andockte. Irgendein Geräusch oder ein Vibrieren wäre sogar
ein äußerst schlechtes Zeichen gewesen: Es hätte
darauf hingedeutet, dass Schockwellen die Geräuschdämpfer
überforderten, dass harte Schläge den elektrisch geladenen
Gravitationsring erschütterten, dass sich Stützträger
verbogen und Schotts falteten. Aber der Schrank, in den sie gemeinsam
mit Martin eine Trennwand eingezogen hatte, grenzte an den Gang, und
seitdem sie von weitem eine Tür hatte zuschlagen hören und
danach das schwache Geräusch von Schritten, war alles still. Die
Stille hielt minutenlang an, was ihr wie eine Ewigkeit vorkam, und
sie empfand sie als den schlimmsten Lärm, den sie je gehört
hatte.
    Ich werde euch schon kriegen, sagte sie sich immer wieder. Ihr habt mein Schiff gekapert, meine Kollegen zusammengetrieben
und, und… Die Erinnerung an ein früheres Leben
meldete sich: Hinterhältige Mistkerle! Allein mit sich
und ihren Gedanken, fragte sie sich, wie es Max ergangen sein mochte.
Er war nicht der Typ, den Luftpiraten aus dem Weg zu gehen.
Vielleicht nahmen sie an, sie könnten ihn als Druckmittel gegen
sie selbst benutzen. Falls ihnen das überhaupt wichtig war.
Falls sie überhaupt wussten, wer sie war und zu was sie in der
Lage war. Wohl kaum. Steffi war sich mit Bitterkeit
darüber im Klaren, dass wahrscheinlich niemand wusste, wer sie
wirklich war – niemand außer Sven. Hätte ihr Partner
und Frontmann gequatscht, hätten die inzwischen längst das
Schiff auseinander genommen, um sie in die Hände zu bekommen.
Svengali wusste Dinge über Steffi – und sie über ihn
–, die jeden von beiden ans Messer geliefert und zu einer Reise
ohne Wiederkehr verurteilt hätten, hätte der eine den
anderen verkauft. Auf einem Dutzend Planeten wären sie
eingelocht worden. Aber Steffi vertraute Svengali bedingungslos. Sie
arbeiteten schon seit zehn Jahren zusammen, und diese Zusammenarbeit
hatte in einer wahnsinnig ehrgeizigen Tour gegipfelt: von Attentat zu
Attentat, quer durch die ganze Galaxie. Zwei politische
Kammerjäger, die es mit einer ganzen Exilregierung aufnahmen.
Das versprochene Honorar hätte beiden einen sorgenfreien
Ruhestand garantiert, wäre dieser hinterhältige Abschaum,
der für den Grand Slam bezahlte, nicht so in Panik
geraten, stattdessen das Schiff zu kapern. Und jetzt, da die
Pläne gescheitert waren und man Svengali
höchstwahrscheinlich aus dem Verkehr gezogen hatte, sah Steffi
rot.
    Nach einer Stunde sorgfältiger Planung schaltete sie die
Taschenlampe ein und legte das Ohr an die Schrankwand. Nichts.
»Also los«, murmelte sie vor sich hin und griff nach dem
Kartonmesser, das Martin ihr hinterlassen hatte. Anfangs waren die
Platten, die das Fabrikationsgerät auf seine Anweisung hin
hergestellt hatte, unnachgiebig und schwer aufzutrennen, da sie
zusätzlich durch das feine Kupferdrahtnetz des
Faradaykäfigs verstärkt wurden. Sie schlitzte eine Ecke
auf, arbeitete sich danach vor und machte sich daran, die
Vertäfelung ihres Verstecks herunterzuzerren.
    Vor Anstrengung stöhnend, schlitzte Steffi eine Seite von
oben bis unten auf und bearbeitete danach die Bodenseite.
Schließlich duckte sie sich und bog die Ecke nach oben.
Während sie im Zwielicht herumwerkelte, stellte sie fest, dass
ihr der Weg nach draußen durch einen schweren Gegenstand
versperrt war. Das gab ihr den Rest: Plötzlich schienen sich der
Gestank und die Dunkelheit wie eine Faust um ihren Kopf zu
schließen. Keuchend drückte sie so fest sie konnte
dagegen, bis das Hindernis nachgab.
    Eine Minute später fand sie den Lichtschalter des Schranks. Das wäre geschafft, sagte sie sich mit klopfendem Herzen.
Vor nervöser Anspannung hatte sie Schmetterlinge im Bauch. Wenn die da draußen sind…
    Sie machte die Tür auf:

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