Supernova
Die Suite war leer. »Ha.«
Sie tat drei Schritte vorwärts, ins Wohnzimmer, genoss dabei die
plötzliche Bewegungsfreiheit und atmete die frische Luft tief
ein, denn jetzt erst wurde ihr klar, in welchem Gestank sie mehr als
einen Tag verbracht hatte. Als sie sich umsah, fiel ihr Blick auf den
Schreibtisch. Darauf lag ein altmodischer Papierblock, der mit
blassem Stift beschrieben war. Mit gerunzelter Stirn griff sie danach
und las im Licht der Taschenlampe:
Alle Passagiere gehen jetzt zu den
Evakuierungszonen. Kommen in halber Std. auf Alt-Neuf. an/
Raumstation am Rand des Moskauer Systems. Hilfe? Kann sein,
dass sie das Schiff räumen.
Oberleutnant Fromm nicht trauen. Übermenschen sind gut
darin, Menschen zu steuern. Fromm = Marionette.
Komm.netz dient jetzt zu lückenloser Überwachung.
Ist Zugangsidentifikation für Offiziere noch intakt?
Benutzen Sie ruhig das Gerät im Schrankkoffer. Stellt
gute Spielzeuge her, Sie können unbeschränkt
darüber verfügen.
Steffi spürte, wie ihr die Knie weich wurden. Das Ding im
Schrank war also ein Fabrikationsgerät, das alles und jedes
herstellen konnte? Ein Füllhorn? Sie zwang sich dazu, einen
Moment Platz zu nehmen und die Augen zu schließen. »Ach,
du Scheiße!«, sagte sie leise. Das eröffnete
unbegrenzte Möglichkeiten. Gleich darauf holte sie tief Luft. Die Zugangsidentifikation für Offiziere. Falls die
Flugpiraten noch an Bord waren und das öffentliche
Kommunikationsnetz in ein Überwachungsraster verwandelt hatten,
mussten sie schon über sie Bescheid wissen. Aber wenn sie das
Schiff tatsächlich geräumt hatten, bestand vielleicht eine
Chance, insbesondere, wenn sie das Identifikationssystem für
Linienoffiziere nicht angetastet hatten.
Steffi schob die linke Hand in die Tasche und holte ihre
Kontrollringe heraus. Während sie einen nach dem anderen
über die Finger streifte, gab sie lautlos die Befehle zur
Aktivierung ihres Interfaces ein. Falls die mich beobachten,
werden sie jeden Moment hier sein, sagte sie sich. Aber nichts
geschah; der Zeitanzeiger rückte in ihr Blickfeld vor, und als
sie an einem der Ringe drehte, erfuhr sie, dass eine neue Mail auf
sie wartete. Doch niemand klopfte an die Kabinentür.
Während sie hastig die Statusmeldungen des Schiffes
durchging, machte sich nach und nach ein leichtes Grinsen auf ihrem
Gesicht breit. Da die Romanow jetzt im Dock lag, waren die
Evakuierungssysteme, Antriebssysteme und Brückensysteme
abgeschaltet und die Versorgungssysteme auf Standby-Modus
eingestellt. »Ihr dachtet wohl, ihr hättet alles niet- und
nagelfest unter Kontrolle, wie? Na, wir werden ja sehen!« Sie
kehrte zum Schrank zurück und beugte sich über die
Schalttafel des Fabrikationsgeräts. »Gib mir ein
Stichwortverzeichnis!«, befahl sie barsch. »Und zeig mir
Waffen. Alle Waffen, die du herstellen kannst…«
boten
Die grundlegenden Betriebssysteme Alt-Neufundlands waren
weitergelaufen, während die Schockfront der Verstrahlung
darüber hinweggefegt war. Die Menschen mochten die Raumstation
verlassen haben, die lebenswichtigen Versorgungssysteme abgestellt
sein, die Algenteiche zerstört, die makroskopischen Pflanzen
abgestorben und selbst die Kakerlaken durch den Strahlungsimpuls von
vielen KiloGray verschmort, aber das viele Megatonnen schwere Rad
drehte sich in der eiskalten Leere weiter und weiter und wartete auf
eine Rückkehr der Menschen, die alles andere als gewiss war.
Wednesdays Atem dampfte in der dunklen Dockanlage. Einer von
Portias Speichelleckern hatte rund um die Durchgangsschleuse des
Linienschiffes Flutlicht installiert, sodass in Richtung des
Radgetriebes düstere Schatten den grauen Fußboden
durchschnitten. Verschwommene Silhouetten drehten sich langsam im
Kreis; sie rotierten zwischen dem Boden und der hohen Decke, die
einer Kathedrale Ehre gemacht hätte, minutenlang hin und
her.
»Könnt ihr die Sache ein bisschen beschleunigen?«,
fragte Portia in ihr Funktelefon. »Wir brauchen hier
Licht.«
»Sofort. Wir suchen immer noch nach der zentralen
Schalttafel.« Jamil und einer der anderen Rowdys waren ins
Innere der Raumstation aufgebrochen, um nach einer
Reservestromversorgung zu suchen. Sie trugen Nachtsichtgeräte
und für den Fall, dass sie auf eine Gasfalle stießen,
Atemmasken. Es würde außerordentlich schwierig sein, die
Hauptreaktoren wieder zum Laufen zu bringen – Wochen
anstrengender Arbeit, um die Spulen des Reaktors durchzuchecken und
sich dann mühsam bis dahin
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