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Supernova

Supernova

Titel: Supernova Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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möchte
eigentlich nicht sterben und es wäre mir eigentlich auch lieber,
wenn ich niemanden umbringen müsste. Deshalb erzähle ich
Ihnen das alles. Damit Ihnen völlig klar wird, dass das hier
kein verdammtes Spielchen ist.« Mit erschöpfter Miene
beugte sie sich zu Wednesday hinüber. »Haben Sie das
inzwischen kapiert?«
    Wednesday fuhr zurück. »Ich, äh…« Sie
schluckte. »Ja.«
    »Gut.« Irgendetwas, das sie am Laufen gehalten hatte,
schien Hoechst jetzt im Stich zu lassen, sodass sie nur noch
müde und ausgebrannt wirkte. »Jeder glaubt, das Richtige zu
tun, Mädchen. Immer und überall. Das ist so ungefähr
das Einzige, was erklären kann, warum dieses Universum so
versaut ist.« Ein schwaches Lächeln überzog ihr
Gesicht. »Niemand hält sich selbst für einen
Bösewicht, stimmt’s? Wir alle sind sicher, das
Richtige zu tun, deshalb haben wir ja diesen Schlamassel. –
Also, warum zeigen Sie mir nicht, wo diese Polizeiwache ist, dann
können wir uns gemeinsam aus eben diesem Schlamassel
graben.«
    »Äh, ich, äh…« Vage wurde Wednesday
bewusst, dass sie zitterte. Vor Wut. Du verdammtes Ungeheuer, du
hast meine Eltern umgebracht! Und du willst, dass ich mit dir
zusammenarbeite?! Aber es war eine ohnmächtige Wut:
Angesichts einer Gegnerin wie Portia sah Wednesday keine
Möglichkeit, die Lage zum Besseren zu wenden, nicht die Spur von
einem Ausweg, der es ihr erspart hätte, das zu tun, was die
Übermenschen von ihr verlangten. Aus genau solchen Gründen
waren sie ja die Übermenschen. Und hielten sich selbst
nicht mal für Bösewichte. »Hier entlang.« Du hast Post, blinkte es in ihrem Sichtfeld, während sie
über den Metallboden der Dockanlage, der vor Frost glitzerte,
auf die dunklen, leeren Fahrstuhlschächte zuging. Fast
mechanisch reagierte sie darauf und drehte an ihren Ringen, um die
Nachricht abzurufen.
     
Hallo Wednesday, hier ist Hermann. Wenn du
diese Nachricht liest, hast du wieder Zugang zum
Kommunikationsnetz von Alt-Neufundland. Bei der Evakuierung der
Raumstation wurde es nicht abgeschaltet. Bitte antworte.
     
    »Alles in Ordnung mit Ihnen?«, fragte der Mann namens
Franz und griff, als sie stolperte, nach ihrem Ellbogen.
    »Bin nur ausgerutscht, ist spiegelglatt hier«, murmelte
sie und schob die Hände in die Taschen, um zu verbergen, dass
sie ihre Ringe auf eine Antwort einstellte.
     
Bin auf Alt-Neufundland. Wo bist du?
Senden.
     
    Während sie warteten, weil Jamil einen der Fahrstuhlmotoren
mit einem Strommesser prüfte, kam die Antwort. Auf der
Raumstation war es so kalt, dass der Atem Wölkchen in der Luft
bildete und im Zwielicht funkelte.
     
›Ich‹ bin dort, wo ich schon
immer war. Mein Kausalkanal ist immer noch mit dem Netz der
Raumstation verbunden. Auch die anderen
Kommunikationskanäle funktionieren noch. Das gilt
ebenfalls für den diplomatischen Kanal, den U. Hoechst
dazu benutzen will, den Moskauer R-Bomben den
»Stopp«-Code zu schicken. Den Code hat Hoechst von
ihrem Vorgänger, U. Scott, übernommen. Es gibt noch
einen weiteren Zugangscode, er befindet sich im Safe des
Stationsleiters im zentralen Kontrollbüro.
Svengali und sein Partner haben die Überlebenden der
Moskauer Diplomatie erfolgreich in Panik versetzt. Das
Szenario, das nach meiner Rechnung am wahrscheinlichsten ist,
sieht folgendermaßen aus: Hoechsts Ziel besteht darin,
die Kontrolle über die Moskauer R-Bomben zu erlangen. Als
Erstes tut sie so, als ginge es ihr nur darum, die Bomber
zurückzurufen. Danach wird sie die Verfügungsgewalt
über die R-Bomben dazu benutzen, sowohl die Moskauer
Botschafter als auch die Dresdner Behörden davon zu
überzeugen, dass die R-Waffen unwiderruflich auf einen
Angriff programmiert sind. Das wird den Übermenschen die
Grundlage dafür verschaffen, Dresden zu übernehmen.
Die Junta-Mitglieder, die dort derzeit an der Macht sind,
werden flüchten, dadurch ein öffentliches Chaos
erzeugen und den Handlangern der Übermenschen den Weg zum
Aufstieg frei machen. Und das alles, weil die Dresdner einen
Angriff erwarten, der niemals erfolgen wird.
     
    Die Aufzugsmotoren ächzten und brummten, in der Kabine
leuchteten Lampen auf. »Scheint zu funktionieren«, sagte
Jamil und stieß mit dem Finger gegen die Schalttafel. »Das
Ding hat einen eigenen Schwungradantrieb für die
Stromversorgung, hab ich gerade hochgefahren. Alles einsteigen.
– Welches Stockwerk ist es?«, fragte er Wednesday.
    »Das vierte«, murmelte sie.
     
Von den Übermenschen darfst du

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