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Supernova

Supernova

Titel: Supernova Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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Die angefügte Datei enthielt irgendeinen Code, ein neues
Interface-Protokoll für sein Implantat, damit er mit dem
Äther der Raumstation kommunizieren konnte. Er versuchte ein
gleichgültiges Gesicht zu bewahren, während er innerlich
die Daumen drückte und die Datei herunterlud, obwohl er ihr
nicht ganz traute.
    Gleich darauf traten die Neuankömmlinge ins Zimmer.
Während Frank sie musterte, schrumpfte seine Welt plötzlich
zu einem einzigen, von Panik bestimmten Ausschnitt zusammen, zu einer
Rückblende, die Jahrzehnte überbrückte. Er nahm alles
in sich auf: Wednesday, die störrisch zwischen zwei Wachen ging,
die Frau ganz vorne, die eine Ledertasche trug und ihn
anlächelte. Und er erinnerte sich dabei an die grelle Sonne auf
dem Dach des Hotels Demosthenes, an den beißenden Geruch
nach Propangasöfen und Hundekot, den der leichte Wind durch die
Innenstadt Samaras getragen hatte. An Alice, wie sie sich mit einer
Kameradrohne in den Händen zur Brüstung umgedreht hatte.
Und an diese Frau, die auch damals dabei gewesen war. Der Tod, der an
dem Tag zuschlug, als es Kugeln regnete. An dem Tag, der alles
verändern sollte.
    Verblüfft sah Frank zu ihr auf. »Ach du heilige
Scheiße, Sie sind das…«
    »Nur sind diesmal noch mehr kleine Schweinchen auf dem Weg
zur Schlachtbank.« Ihr Lächeln wurde noch breiter und nahm
in den Mundwinkeln hässliche Züge an. »Wir müssen
wirklich damit aufhören, auf diese Weise aneinander zu geraten,
nicht wahr?«
    »Scheiße, Scheiße, Scheiße…«
Frank spürte Brechreiz. Ihm stach der heiße Geruch von
Alices Blut in die Nase, er hörte das Toben und Gebrüll der
Menschenmenge, als der Kugelhagel losging. »Sie waren in Samara.
Auf Newpeace. Wer sind Sie?«Da er sich auf das Gesicht
der Frau konzentrierte, merkte er kaum, dass Wednesday am anderen
Ende des Zimmers vor Verblüffung zusammenfuhr.
    »Ich bin U. Portia Hoechst, Abteilungssekretariat der Vierten
Division der Unterabteilung zur Kontrolle der Äußeren
Umwelt, planetarisches Hoheitsgebiet Newpeace. Das U. steht
für Uebermensch oder Uebermaedchen, ganz wie Sie wollen.«
Ihr Lächeln war so breit, dass es an ein aufgerissenes
Haifischmaul erinnerte. »An diesem Punkt sieht das Drehbuch vor,
dass ich Ihnen hämisch von meinen üblen Plänen
erzähle, ehe ich Sie umbringe. Und dann muss, wenn Sie den
Filmen Glauben schenken, ein stahlharter Held durch die Wand brechen
und mir die Leviten lesen, selbstverständlich mit ungeheurer
Voreingenommenheit.«
    Sie schnaubte. »Nur, dass es hier im Umkreis von sechzehn
Lichtjahren keine stahlharten Helden gibt.« In ihren Augen
zeigte sich ein Anflug von Heiterkeit. »Da hilft nicht mal diese
dritte Offizierin, die Sie versteckt haben – zumindest nicht
mehr, wenn die Wachen erst mal mit ihr fertig sind.« Frank
spürte, wie sich seine Fingernägel in die Handflächen
gruben; einige Sekunden lang trübte sich seine Sicht und kam ihm
wie in einzelne Pixel aufgelöst vor. Sein Herz schlug ihm bis
zum Hals, doch dann wurde ihm klar, dass all das von Wednesdays
Geschenk, dem codierten Programm, herrührte, das sich gerade auf
den virtuellen Apparat seiner Implantate herunterlud. Das, kombiniert mit einer rohen, primitiven Wut.
    »Warum erzählen Sie uns das alles?«, fragte Rachel
leise.
    »Weil ich ein Publikum schätze, verdammt noch mal!«
Hoechst setzte sich auf. »Außerdem wird das hier sowieso
bald vorbei sein.« Ihr Lächeln schwand. »Oh, und was
diese Sache mit dem >Ich erzähle euch alles, ehe ich euch
umbringe< anbelangt: Ich werde Sie nicht töten.
Vielleicht werden Sie später wünschen, ich hätte es
getan, aber den Gefallen tue ich Ihnen nicht. Sobald ich diese
Raumstation mit Notstromaggregaten ausgerüstet und die
Verbindungen nach außen gekappt habe, werden sich alle
Passagiere und Besatzungsmitglieder hier niederlassen. Das wird zwar
nicht sonderlich lustig werden, aber Sie werden’s die paar
Monate überstehen, die ein Rettungsschiff bis hierher braucht.
Selbst Sie, Frank.« Über ihr Gesicht huschte ein
Lächeln. »Hier gibt es keine Umerziehungslager. Sie
bekommen die Vorzugsbehandlung von V.I.P.s.«
    Franks Magen hatte sich verkrampft, doch er sagte nichts. Verdammt, wir sind immer noch auf Sendung!, wurde ihm klar.
Die Kausalkanäle der Raumstation funktionierten noch. Dieses
Paket von Hermann, wer immer das sein mochte, konvertierte das
ursprüngliche Programm in Sende-Modus. Mit wachsendem Staunen
merkte Frank, dass er nicht mehr von der

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