Supernova
sein
Gesicht hatten sich tiefe Falten gegraben. Über dem Bund seiner
Trainingshosen wölbte sich der nackte Bauch. Er schwenkte seinen
Lehnstuhl zu ihr herum und grinste breit. »Treten Sie ein in
meinen königlichen Palast!«, forderte er sie mit beiden
Händen gestikulierend auf. Rachel fiel dabei der schmutzige
Verband um sein linkes Handgelenk auf, von dem ein ummanteltes Kabel
zu einer großen Kiste hinter dem Stuhl führte.
»Okay, ich komme herein«, erwiderte sie so gelassen wie
möglich und trat ins Zimmer. Aus der Kiste drang eine heisere
Roboterstimme: »T minus fünfunddreißig Minuten,
Countdown läuft. Achtung: Es ist jemand in der Nähe. Habe
nicht identifizierte Person im Umkreis von drei Metern ausgemacht.
Bitte um Genehmigung, den Zeitpunkt der Sprengung
vorzuverlegen.«
Rachel schluckte. Der Mann im Stuhl schien nichts bemerkt zu
haben. »Willkommen im Präsidentenpalast des früheren
und zukünftigen Königreichs von Uganda! Wie heißt du,
Süße? Bist du eine berühmte Journalistin? Bist du
hier, um ein Interview mit mir zu machen?«
»Ah, ja.« Rachel blieb am Eingang stehen, zwei Meter vor
dem kranken Mann und seinem Schätzchen, der sprechenden Bombe.
»Ich bin Rachel. Sie haben da ja ein sehr hübsches
Bömbchen«, sagte sie vorsichtig.
»Achtung: Es ist jemand in der Nähe. Habe nicht
identifizierte Person im…«
»Halt die Klappe, verdammt noch mal«, sagte der Mann
beiläufig, worauf die Bombe mitten im Satz verstummte. »Es
ist wirklich eine ganz reizende Bombe, nicht wahr?«
»Ja. Haben Sie die selbst gebaut?« Rachels Puls raste.
Sie aktivierte die Sekretionskontrolle, damit die
Schweißdrüsen in ihren Handflächen mit ihrer
Überproduktion aufhörten und ihr Magen, der sich von unten
nach oben gekehrt hatte, wieder zur Ruhe kam.
»Moi? Sehe ich wie ein Waffenexperte aus? Ich hab sie
gebrauchsfertig gekauft.« Er lächelte und enthüllte
dabei einen glänzenden Goldzahn. Rachel gelang es zwar, sich
nichts anmerken zu lassen, aber ihre Nasenflügel blähten
sich, als sie den unverkennbaren Geruch von Zahnfäule wahrnahm.
»Ist das nicht großartig?« Er streckte das Handgelenk
hoch. »Wenn ich sterbe: bäng! Und alle
Beerdigungskosten sind damit erledigt.«
»Welche Kapazität hat sie denn?«, riskierte sie zu
fragen.
»Oh, eine sehr große!« Er grinste noch
breiter, spreizte anzüglich die Beine und rieb sich mit einer
Hand im Schritt. »Bei Phase drei fährt sie bis zu einer
Sprengkraft von dreihundert Kilotonnen hoch.«
Rachel verspürte ein eiskaltes Gefühl im Magen. »Das ist nicht die Schwarzmarkt-Bombe aus Industrieabfall,
mit der Sie gerechnet haben«, sagte sie unhörbar und
hoffte, dass MacDougal genau zuhörte. »Dafür haben Sie
sicher viel Geld ausgeben müssen«, bemerkte sie
bedächtig.
»O ja.« Das Grinsen schwand. »Musste alles
verkaufen, was ich besaß, und sogar mit den Behandlungen
aufhören.«
»Was für Behandlungen?«
Plötzlich war er auf den Beinen und tobte. »Die
Behandlungen, die mich zu Idi Amin machen! Zum König von
Schottland, ausgezeichnet mit dem Tapferkeitskreuz der Königin
Viktoria, Ritter und Ordensträger des Britischen Imperiums,
Gouverneur von Kiboga und Bürgermeister von Bukake! Ich bin der
Präsident! Achtet und fürchtet mich! Ihr feigen
weißen Europäer habt die Leute in Afrika lange genug
unterdrückt – jetzt ist die Zeit für eine neue,
freiheitliche Welt gekommen! Ich stehe für islamische Werte,
für den Sieg Afrikas und die Freiheit von den
Unterdrückern. Aber ihr erweist mir keinen Respekt! Keiner
hört mir zu, wenn ich sage, was zu tun ist. Es ist an der Zeit,
die Strafe zu vollstrecken!« Vor ihr flog Speichel durch die
Luft. Rachel versuchte einen Schritt vorwärts zu tun, ohne seine
Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, aber die Bombe registrierte
es.
»Achtung, es ist jemand ganz in der Nähe. Habe nicht
identifizierte Person, vermutlich feindselig eingestellt, im Umkreis
von…«
»Bewegen Sie sich nicht«, flüsterte
MacDougal ihr mit blecherner Stimme ins Ohr. »Das verdammte
Ding hat sich selbst gerade scharf gemacht. Falls Sie noch näher
herangehen, ohne dass er der Bombe mitteilt, dass Sie friedliche
Absichten haben, könnte sie hochgehen.«
Rachel rann eine Schweißperle am Gesicht herunter. Sie zwang
sich zu einem Lächeln. »Das ist wirklich
beeindruckend«, sagte sie bedächtig. Oben an der
Zimmerdecke schwirrten leise die Insekten herum, die Drohnen der
Polizei. Sie umkreisten seinen Kopf und
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