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Supernova

Supernova

Titel: Supernova Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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war von vorn bis hinten festgelegt,
als befände er sich auf den strikt eingegrenzten Wegen eines
fliegenden Vergnügungsparks. Als ein Mensch, der zwanghaft gegen
jede Kontrolle rebellierte, verabscheute Frank Umgebungen, die er
nicht nach Herzenslust auf den Kopf stellen konnte.
    Frank war auf hundertachtzig. Er war so wütend, dass er
aufstehen und herumlaufen musste, um nicht der Versuchung
nachzugeben, mit seinem Kopf gegen das Schott zu schlagen. Wie er
selbst zugab, bildete seine Erregbarkeit eines seiner
größten Probleme. Leider Gottes war er mit der Gabe
gesegnet, Kummer und Leid anderer Menschen unmittelbar zu teilen.
Hätte er eine Möglichkeit gesehen, diese ausgeprägte
Empathie operativ entfernen zu lassen, er hätte es getan.
Vielleicht hätte er dann Karriere in der Politik machen
können. Aber unter den gegebenen Bedingungen und bei seinem
Beruf brachte ihm diese Fähigkeit zum Mitleiden nichts anderes
ein als heftige Gewissensbisse. Besonders dann, wenn er, wie bei
dieser Kreuzfahrt, auch eigene Dämonen exorzieren musste. Also
klickte er Artikel und Copy-Fenster weg, klappte die Tastatur
zusammen, verstaute sie in einer Tasche, stand auf, atmete noch
einmal tief den giftigen blauen Dunst ein und machte zum ersten Mal
seit fast vierundzwanzig Stunden die Tür auf.
    Bestimmt schrillte jetzt irgendwo in den Mannschaftsquartieren der Romanow eine Alarmsirene los. Gefahr! Der Troll aus Kabine
B 312 ist ausgebüxt! Schickt Sprühdosen mit Deodorant
herüber und bereitet die Entseuchung von Korridor B 3 vor!
Gefahr! Gefahr! Chemische Keulen aktivieren! Mit bebenden
Nasenflügeln sog er die unnatürlich reine Luft ein. Frank
war ein großer, stämmiger Typ mit buschigen Augenbrauen
und ausgeprägter Nase; eine seiner Exgeliebten hatte behauptet,
er sehe einem Silberrücken-Gorilla ähnlich – eine
Ähnlichkeit, die durch das von silbernen Strähnen
durchzogene, kurz geschnittene schwarze Haar noch betont wurde. Zu
jener Zeit hatte er jugendliche Lebenskraft ausgestrahlt und kaum
gewusst, wohin mit all der Energie. Sechs Monate zuvor hatte er die
ersten Telomerisations- und Verjüngungsbehandlungen hinter sich
gebracht, die ihm so viel Ruhelosigkeit und jugendlichen
Überschwang zurückgegeben hatten, wie er sie seit
Jahrzehnten nicht mehr gekannt hatte. Diese überbordende Energie
war auch in seine Arbeit eingeflossen, hatte sich in streitlustigen
Leitartikeln und radikaler Prosa niedergeschlagen. Wenn er ein paar
Stunden mit Schreiben verbracht hatte, war er so geladen, dass er die
Wände hätte hochgehen können.
    Der von Türen gesäumte Korridor war mit einem
flauschigen beigefarbenen Teppichboden ausgekleidet. In die
Wände waren Handgriffe und Netze eingelassen, sodass sich die
Passagiere im Fall einer Drehung des beschleunigenden Raumschiffs um
die eigene Achse in mehrere Sicherheitszonen flüchten konnten.
Hier und dort boten Fensterattrappen Aussicht auf idyllische
Landschaften und Szenerien: Sonnenuntergänge in der Wüste
wetteiferten mit Sandstränden, üppig wuchernden tropischen
Regenwäldern und atemberaubenden Sternbildern. Die indirekte
Beleuchtung nahm dem Gang jeden Schatten. Die nüchterne
Röhre, in der es nach Raumspray Marke Kiefernadel stank,
hätte sich auch in jeder irdischen Absteige für
Handelsreisende befinden können, nur wirkte sie doppelt so
langweilig.
    Während Frank den Gang hinunterschlenderte, rümpfte er
die Nase. Diesen Aspekt interstellarer Reisen mochte er ganz und gar
nicht. Warum überhaupt so eine riskante Reise zu entlegenen
Welten antreten, wenn man hier nur das Gewohnte vorfand? Genauso gut
hätte man ein möbliertes, mit allem Komfort ausgestattetes,
teures Apartment in einem dieser aufgemotzten Wohntürme beziehen
können – ein Apartment, das in seiner Einrichtung dem
Massengeschmack hirnloser Handelsvertreter entsprach. Das hier
erinnerte ihn an Hotels mit dezenten Dekorationen an den Wänden,
sorgfältig von Hand gemalt. Hotels, in denen der Speiseaufzug
das Fertiggericht eigener Wahl zum sofortigen Verzehr aufs Zimmer
brachte. Hotels mit überdimensionalen Betten; darüber eine
Zimmerdecke, die auf Wunsch hunderttausend dämliche Filme
projizierte, sofern man nicht eines von Millionen blöder
interaktiver Spielchen bevorzugte.
    Nun ja, der Teufel sollte sie alle holen, die selbstzufriedenen
Arschlöcher samt ihrer Mentalität. Raffgier hatte sie zu
dieser Handelsmission getrieben; es ging ihnen nur darum, auf anderen
Sternen schnellen Reibach zu

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