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Supernova

Supernova

Titel: Supernova Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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für
Verhandlungen zu machen. Sie gehen nicht davon aus, dass sie diese
Karte tatsächlich ausspielen müssen. Ein Generalstreik
würde ihnen selbst mehr schaden als den Föderierten. Aber
die Föderierten können jetzt so tun, als sei die Drohung
ernst gemeint. Die Vereinigung der Transportarbeiter spielt ihnen in
die Hände. Merkt euch, was ich hier und jetzt sage: Man wird
scharf durchgreifen. Nachdem sich Friedrich Gotha als Nachfolger
Wilhelms die Wahl erkauft hat, sucht er schon die ganze Zeit nach
einem Vorwand, den Rebellen hart zuzusetzen. Habt ihr gehört,
dass Kommandant Alpha in der Gegend sein soll? Falls das stimmt, ist
es ein schlechtes Zeichen, wenn ihr mich fragt. Ich hab versucht, ein
Interview mit ihm zu arrangieren, aber…«
    »Kommandant Alpha existiert doch gar nicht«, meldete
sich eine weibliche Stimme von der Treppe her. Frank drehte sich um
und blinzelte, weil die aufgehende Sonne ihn blendete. Wer immer die
Frau auch sein mochte, jedenfalls hatte sie die Dienstbotentreppe
benutzt. Trotz der grellen Sonne konnte er vage erkennen, dass sie
silberblond und ein bisschen übergewichtig war. Sie war so
angezogen, als habe sie vor, im Busch herumzustreifen – wie all
die anderen Journalisten und Kriegsprofiteure auch, die sich in der
Stadt tummelten und darauf warteten, dass der Sturm losbrach.
Irgendetwas an ihr gab ihm kurz zu denken; gleich darauf wurde ihm
klar, was ihn störte: Ihre Tarnjacke und die Hosen sahen so aus,
als seien sie erst vor fünf Minuten aus der Reinigung gekommen.
Die Kleidung wirkte so adrett wie die einer Fernsehmoderatorin, die
gleich auf Sendung geht. Oder so korrekt wie eine militärische
Uniform. Egal, wer diese Live-Übertragung finanziert,
jedenfalls muss er dafür tief in die Tasche greifen, ging
ihm beiläufig durch den Kopf, während sie fortfuhr:
»Kommandant Alpha ist ein Hirngespinst, das nur der
psychologischen Kriegführung dient. In Wirklichkeit existiert er
gar nicht, müssen Sie wissen. Er ist nichts anderes als ein
Totem, das bei den verwirrten Dörflern Loyalität und
Unterstützung für die Rebellen wecken soll.«
    »Und spielt das eine Rolle?«, fragte Alice, die
gleichzeitig eine weitere Drohne auspackte. »Ich meine,
Massenbewegungen haben es an sich, dass man sie nur schwer aufhalten
kann, wenn sie erst einmal in Gang gekommen sind. Selbst wenn man
irgendeinen charismatischen Führer vom Sockel stürzt, wird
ein anderer Held auftauchen, der dumm genug ist, die Fahne
voranzutragen. Solange die Wurzeln der Unzufriedenheit nicht
beseitigt sind, bilden sich ganz von selbst Führer heraus. Wenn
sich der Teufelskreis aus Rache und anschließenden
Vergeltungsmaßnahmen erst einmal dreht, dann…«
    »Genau.« Der Neuankömmling nickte zustimmend.
»Das ist ja gerade das Interessante. Kommandant Alpha
verkörpert lediglich eine bestimmte Vorstellung. Um ihn
loszuwerden, muss die Ordnungsmacht mehr unternehmen, als nur
aufzuzeigen, dass er nicht existiert.«
    »Ha?« Frank hörte in der Ferne ein lautes
Geräusch, das so klang, als ströme die Flut herein. Was
völlig unmöglich war, denn dreihundert Kilometer trennten
Samara vom Meer. Außerdem hatte Newpeace gar keine so
großen Monde, dass sie Gezeiten hätten auslösen
können. Er holte sein Keyboard heraus, um sich kurz eine Notiz
zu machen. »Wie war doch gleich Ihr Name?«
    »Hab mich nicht vorgestellt.« Die Frau starrte ihn mit
keineswegs freundlicher Miene an. »Sie sind Frank Johnson,
genannt die Spürnase, stimmt’s?«
    Irgendetwas an ihrer Art machte ihn nervös. »Und wer
sind Sie, dass Sie danach fragen?«
    Sie überging ihn einfach. »Und Sie sind Alice
Spencer, also müssen Sie Thelma Couper sein. Drei kleine
Schweinchen, die friedlich vereinten Kriegsberichterstatter. Zu Ihrem
Glück sind Sie alle drei sehr faule kleine Schweinchen –
befinden sich an diesem historischen Morgen hier oben auf dem Dach
und nicht etwa beim arglosen Pöbel auf den Straßen. Und
wenn Sie schlaue kleine Schweinchen sind, dann bleiben Sie
auch hier und versuchen gar nicht erst, das Gebäude zu
verlassen. Entspannen Sie sich, sehen Sie dem Feuerwerk zu, trinken
Sie Ihr Bier. Und sparen Sie sich die Mühe, eine Verbindung nach
außen herstellen zu wollen. Ich komme Sie später
holen.«
    Alice griff so fest nach Franks Arm, dass es wehtat. Er hatte
nicht einmal gemerkt, dass er auf die Fremde zugegangen war.
»Wer, zum Teufel, sind Sie?«, fragte er forsch.
    Anstatt ihn zu beachten, wandte sich die Frau der

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