Supernova
aus
Leder zusammengesunken war. Eine Stoppuhr in der linken oberen Ecke
des Displays zeigte den Countdown von Sekunden an. Im Rücken des
Mannes…
»Mord?«, fragte Jane mit zusammengepressten Lippen. Seit
den Ereignissen auf Neu-Prag hatte Rachel sie kaum gesehen. Damals
hatte Jane klaglos die Bürde auf sich genommen, für Rachel
die Recherchen innerhalb des diplomatischen Netzwerks
durchzuführen. Beiläufig fragte sie sich, wie Jane wohl mit
einem Einsatz vor Ort fertig werden würde, wenn sie nicht einmal
aus einer solchen Szene von sich aus schlau wurde.
»Der Ermittler hat in seinem Bericht sehr deutlich zum
Ausdruck gebracht, dass der Botschafter sich nicht selbst in den
Rücken gestochen haben kann, zumindest nicht mit einem Schwert.
Dazu waren seine Arme einfach nicht lang genug«, erwiderte Tranh
trocken. »Schon gar nicht hätte er so viel Kraft gehabt,
seinen Oberkörper an der Tischplatte festzunageln. Unmittelbare
Todesursache war die Durchtrennung einer hinteren Hauptschlagader und
die Verletzung des Herzbeutels. Er ist innerhalb von Sekunden
verblutet. Aber die größte Schweinerei ist hinter dem
Schreibtisch zu sehen.«
Als George erneut an den Ringen drehte, schwenkte die Kamera so
scharf durch den Raum, dass einem davon schwindelig werden konnte.
Die Szenerie jenseits des Schreibtisches wirkte wie ein einziger
Schlamassel. Aus der Wunde im Rücken des Botschafters war Blut
geschossen, hatte sich über den Stuhl ergossen und unter dem
Schreibtisch zu klebrigen Pfützen gesammelt. Im dicken Teppich
waren Fußspuren zurückgeblieben – eine obszöne
Fährte, die zur Tür wies.
»Ich nehme an, diese Geschichte hat einige Bedeutung für
unsere Mission«, bemerkte Rachel. »Verfügen wir
über einen vollständigen Ermittlungsbericht? Wurde der
Täter gefasst?«
»Weder das eine noch das andere«, erklärte Cho mit
trauriger Genugtuung. »Das Büro des Wesirs vom Morgenland
hat die Übermittlungen außerhalb der Botschaft
übernommen. Und so höflich und hilfreich sich die
Behörden von Turku auch verhalten haben: Sie wollten keine
Einzelheiten zum Mord herausrücken und haben uns nur dieses
plastische Schaubild überlassen. Achten Sie bitte auf die rote
Clownsnase und den buschigen Schnauzer. Einer oder mehrere Unbekannte
haben das Gesicht des Botschafters damit verziert – und zwar nach seinem Tod, wie das Büro des Wesirs angibt. Ach ja,
und zur Frage von Verhaftungen: Der Mörder wurde nicht gefasst.
Um das Gesicht zu wahren, hat das Büro des Wesirs ein paar
Kleinkriminelle festgenommen, Geständnisse von ihnen erpresst
und sie vor den Augen der öffentlichen Berichterstatter einen
Kopf kürzer gemacht. Aber wie wir aus vertraulichen Quellen
wissen, läuft die wirkliche Ermittlung weiter. Was mich zum
zweiten Fall bringt.«
Auf der Wand tauchte ein weiteres Schaubild auf, und auch dieses
zeigte eine chaotische Szene. Nur ging es diesmal um einen
Verkehrsunfall, dem ein großer Straßenkreuzer zum Opfer
gefallen war. Offenbar handelte es sich um eine Luxuslimousine. Die
Einzelteile des Wagens waren quer über die Straße
verstreut. Ringsum standen Bergungsmannschaften und
Rettungsfahrzeuge. Links und rechts der Straße waren seltsam
geformte, mit blauen Tüchern verhüllte Objekte zu sehen.
Viele der Trümmer waren angekokelt, manche schwelten noch.
»Das hier ist die Limousine der Moskauer Botschaft, die Ihre
Exzellenz, Simonette Black, zu einer Konferenz bringen sollte. Thema
der Konferenz war die Strategie zur Umsiedlung vertriebener
Bevölkerungsgruppen, Tagungsort Bonn, Hauptstadt der Friesischen
Allianz, einer Konföderation unabhängiger Staaten auf der
Eiger-Welt. Im Unterschied zu Turku handelt es sich dabei um eine
deutsche McWelt, in deren Vergangenheit es kaum zu gewaltsamen
politischen Auseinandersetzungen gekommen ist – bis auf ein paar
Kriege um Ölfelder und die Rechte der Einzelstaaten, aber das
liegt schon ein, zwei Jahrhunderte zurück.«
Als George auf einige Büsche am Straßenrand deutete,
war der Bildschirm so freundlich, davon eine Nahaufnahme zu zeigen.
Irgendetwas glitzerte im Unterholz. »Das da ist ein Mast, der
Infrarotstrahlen reflektiert. Wenn wir nach der Quelle Ausschau
halten« – die Kamera schwenkte in Schwindel erregendem
Tempo zum Himmel hinauf und sofort wieder auf die Straße,
allerdings war der Aufnahmewinkel jetzt um 180 Grad verschoben und
zeigte nicht mehr den Mast –, »dann stoßen wir auf
das hier.« Es war eine grüne Box, vorne mit
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