Supervision - Grundlagen, Techniken, Perspektiven
selbstreflexiver Hinsicht am intensivsten sein kann. Hier erfährt man im Idealfalle im Schutze der Anonymität am meisten über die eigenen Stärken und Schwächen bzw. Grenzen und Chancen in der Arbeit mit anderen Menschen. Dabei kann man auch an Themen geraten, die eigentlich in den Bereich der Psychotherapie gehören. Dann sollte der Supervisor den persönlichen Bereich so ausklammern, dass die Supervision auf der Arbeitsebene gehalten werden kann. Dem Vorteil der intensiven Selbsterkenntnis in der Einzelsupervision steht jedoch ein möglicher Nachteil entgegen. Da nur der Supervisand mehr über sich und seine beruflichen Beziehungen erfährt, berührt der Wissens- und Reflexionszuwachs durch die Supervision die Beziehungen zu den Arbeitskollegen eher indirekt.
2. Varianten der Gruppensupervision
Das Hauptmerkmal der Gruppensupervision als
Mehr-Personen-Setting
ist die Tatsache, dass die Supervisanden alle in unterschiedlichen Einrichtungen oder Praxisfeldern arbeiten. Ein Supervisor berät mehrere Supervisanden, die an verschiedenen Arbeitsplätzen sowie in unterschiedlichen Organisationen tätig sind. Diese können einerseits als feldbezogene Supervision aus einem Arbeitsfeld, aber verschiedenen Einrichtungen (z.B. fünf Lehrer aus fünf verschiedenen Schulen) kommen. Andererseits kann die Gruppensupervision, wie im nachstehenden Beispiel gezeigt, sogar mit Personen aus völlig unterschiedlichen Arbeitsfeldern (Schule, Pfarramt, Altenheim, Jugendamt, Krankenhaus, Kindergarten u.a.) stattfinden.
Bei diesem Mehr-Personen-Setting kannten sich die Mitglieder der Gruppe vorher nicht (
stranger group
).
Für alle nachstehenden Varianten des
Mehr-Personen-Settings
(also auch für die Team- und Organisationssupervision) benötigt man neben dem schon erwähnten âHandwerkszeugâder Supervision noch zusätzliches Wissen und Können über Gruppen, um Gruppenprozesse produktiv steuern zu können. Nachstehend sind einige Erkenntnisse über Gruppenprozesse zusammengestellt:
(1) In überschaubaren und dauerhaften Gruppen von drei bis zwanzig Mitgliedern kann man
intensive Erfahrungen
miteinander haben.
(2) Während des Gruppenprozesses bilden sich eigene
Ziele
,
Werte
sowie spezielle Beziehungen und Erwartungen (
Rollen
) heraus.
(3) Diese Rollen hängen einerseits von dem ab, was man vorher erlernt hatte; andererseits entwickeln sie sich auch durch das Zusammen- und Gegeneinanderwirken der Gruppenmitglieder in jeweils spezifischer Weise als
Gruppenrollen
weiter.
(4) Mit dem Begriff
Billard-Modell
kann man diesen Gruppenprozess treffend beschreiben. Jede ÃuÃerung eines Gruppenmitglieds löst etwas aus, das wie eine Billardkugel âin Gang gesetzt wird und seinerseits ein weiteres Ereignis auslöstâ (Fengler 1986, S. 59).
(5) Die Gruppenmitglieder beeinflussen einander. Sie bringen ihre früheren
Erfahrungen
und vor allem auch
Ãbertragungen
mit in den Prozess ein. Dabei entwickeln sich mehrfache Ãbertragungen untereinander. Menschen können sich nirgendwo so intensiv kennen lernen wie in gut arbeitenden Gruppen.
(6) Allerdings kommt es nicht selten vor, dass Gruppen den Einzelnen bei ungünstigen Bedingungen (Fremdheit, Gruppendruck, AuÃenseiterrolle) ängstigen. Denn in jeder Gruppe kommt es zu Machtausübung, Hierarchie und Normsetzung. Durch gezielte Interventionen ist es möglich, diesen unerwünschten Erscheinungen in der praktischen Gruppenarbeit gegenzusteuern.
(7) Wie schon angedeutet, unterliegt der zeitliche Ablauf in jeder Gruppe bestimmten
Gruppenprozessen
und
Gruppenphasen
. Diese sind beschreibbar und für das Verständnis menschlicher Entwicklung in Gruppen gut nutzbar.
(8) Wenn es in der Gruppe âgutâ läuft, dann können Gruppen
Korrekturmöglichkeiten
früherer (negativer) Erfahrungen sein. Eigene Verhaltensweisen und Rollen werden von anderen kritisch gesehen, kommentiert und sind deshalb veränderbar.
(9) Hierzu haben Theorie und Praxis der Gruppendynamik ein methodisches Instrumentarium für Beschreibungen und Veränderungsmöglichkeiten entwickelt. Die bekannteste Möglichkeit ist das
Feed-back
, die gezielte Rückmeldung darüber, wie man auf andere wirkt (S. 79).
Wenn der Gruppenprozess einigermaÃen gelingt und in die âTiefeâ geht, zeigen sich jenseits der anfänglichen Themen noch âhintergründigeâ Probleme und
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