Suppenmord: Kommissar Hölderling kocht (German Edition)
schneller runtergewirtschaftet, als Sie ‹Mahlzeit› sagen können. Vielleicht warte ich in sicherer Entfernung, bis es so weit ist, und übernehme dann das Ding hier. Ich meine, klingt jetzt irgendwie nicht pietätvoll, aber ich glaube, Marielle würde es gefallen.»
«Hatten Sie ein Verhältnis mit ihr?»
«Nein. Wieso fragen Sie so ’n Scheiß?»
«Nun ja, wie Sie wissen, kennen wir Marielle schon ziemlich lange, ich meine, wir alle. Die Schulklasse. Und ehrlich gesagt, sie war der Klassenquälgeist. Schon immer. Die Oberzicke. Keiner wollte so richtig mit ihr befreundet sein.»
«Ich mochte die Frau, weil sie ein Profi war. Nicht einer von diesen Möchtegerns. Klar, die hatte ihre Macken und ihre Zickereien. War mir aber wurscht.»
Plötzlich wurde die Tür zur Küche aufgerissen. Annelies, eine Plastiktüte mit nicht erkennbarem Inhalt unter dem Arm und an den Händen Gummihandschuhe, kam herein und baute sich vor Gregor auf. «Was tust du hier? Ich denke, du räumst das Kühlhaus aus?»
«Schon erledigt», sagte Ferdinand Bundt. «Und wer sind Sie?»
«Die Rechtsmedizinerin», sagte Annelies, als würde das alles erklären.
«Sie tut Ihnen nichts», sagte Hölderling. «Die will nur spielen. Und nun zu dir? Was hast du da unterm Arm?»
«Sherry.»
«Darf ich?», fragte Hölderling und streckte die Hand aus.
«Lieber nicht. Es ist die Mordwaffe, besser gesagt: das Gift. Hat Viktor in Marielles Wohnzimmer gefunden.»
«Der sollte doch nur abschließen! Nicht rumschnüffeln und nichts anfassen!»
«Zu spät. Du kennst doch Viktor. Egal.» Annelies öffnete die Sherryflasche und hielt sie Hölderling unter die Nase. «Riech mal.»
«Bäh … Das hat Marielle getrunken?»
«Eher nicht – es war wohl in der Suppe. Und jetzt muss ich dich bitten einzuschreiten, aber dalli.» Annelies klopfte mit der Hand auf den Tisch und sagte: «Ich störe nur ungern diese traute Küchenzweisamkeit. Viktor und Conrad prügeln sich um den Schlüssel für die Privatwohnung der Fausts. Conrad will rein – Viktor will es verhindern. Und Otto und Jürgen stellen sich an wie die Anfänger mit der Leiche von Marielle! Die sollen sie doch nur hierhintragen! Ein simpler physikalischer Vorgang!» Annelies’ Augen sprühten Funken.
«Bevor die Frau Rechtsmedizinerin gleich selbst einen Mord begeht, muss ich mich wohl drum kümmern.»
«Wäre wünschenswert, Gregor.»
Hölderling stellte schweren Herzens die Schüssel mit dem Nachtisch in den Kühlschrank zurück. «Ach, schon was Neues gehört von Gruber?»
«Sämtliche Flughäfen in NRW und im Rhein-Main-Gebiet sind gesperrt. Und die Autobahnen auch …»
Als Hölderling die Küche verließ, kniff Annelies die Augen zusammen und murmelte: «Ein aktiver Musculus levator anguli oris – lange nicht gesehen.»
«Ist das gefährlich?», fragte der Koch.
«Was soll an einem Lächeln gefährlich sein?», fragte Annelies zurück.
«Ach so … ich glaube, mein Essen hat ihm geschmeckt. Wollen Sie auch?»
«Eher nein. Mein Koffer steht vor der Tür und muss ins Kühlhaus.»
«Wollen Sie da einziehen?», sagte Ferdinand Bundt, als er den Rollkoffer sah.
Annelies zuckte die Schultern. «Was dagegen?»
Der Koch bedachte Annelies mit einem prüfenden Blick. Dann sagte er: «Vielleicht sollten Sie sich vorher was Warmes anziehen. Oder gehört der Fummel zu Ihrem Job?»
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Kapitel 5
Es war schon weit nach Mitternacht. Das Käuzchen, das in sicherer Entfernung zum Haus seinen Beobachtungsposten auf einer Tannenspitze bezogen hatte, fühlte sich gestört. Aus dem Kellergeschoss drang laute Musik, die so gar nicht zur Idylle dieser perfekten Winterlandschaft passen wollte. Dicke Flocken schwebten vom Himmel. Frau Holle hatte sich offensichtlich vorgenommen, nicht eher zu ruhen, bis die Hässlichkeit der beiden verschnörkelten Schwäne über der Eingangstür des Romantikhotels sich in ein unförmig gefrorenes Herz verwandelt hatte.
Im Inneren des Hauses lag Gregor Hölderling im überdimensionalen Himmelbett in Viktors Suite. Ausgestattet mit einem Berg von Käsebroten, die ihm der Koch verehrt hatte, starrte er in das Kaminfeuer. Gregor Hölderling bedauerte zutiefst, der Aufforderung seiner Haushaltshilfe nachgegeben zu haben, das Klassentreffen mit seiner Anwesenheit zu beehren. Er dachte an seine Küche, in der er jetzt stehen könnte, wenn er nicht losgefahren wäre. Nur er und das ultimative Rezept für ein Bœuf Bourguignon – in aller Stille
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