Suppenmord: Kommissar Hölderling kocht (German Edition)
oder?»
«Ich wüsste nicht, warum wir ihn stören sollten.»
«Ich geh dann mal wieder.»
«Wohin?»
«Zu den anderen. Wir treffen uns in der Bibliothek. Deine Laune macht mich, gelinde gesagt, etwas wahnsinnig. Und vielleicht erzählt mir ja der ein oder andere noch eine Geschichte, die dir weiterhelfen kann. Als Anwalt, du verstehst, ist man wie ein Beichtvater … Und übrigens, ich liege auf der linken Seite», sagte Viktor.
«Und ich dachte, du liegst immer oben», antwortete Hölderling und biss in sein Käsebrot.
«Egal, wo ich liege, ich hasse Krümel im Bett.»
Das war vor zwei Stunden gewesen. Die Käsebrote waren aufgegessen, und Hölderling hätte ein Königreich für einen Herd gegeben. Eine Potage Parmentier würde mich jetzt sehr zufrieden machen, dachte er. Oder ein kompliziertes Soufflé – vielleicht war Ferdinand Bundt auch noch nicht im Bett, und vielleicht könnte der den ein oder anderen Tipp …?
Gregor Hölderling hatte den Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, da setzten seine Füße bereits auf dem Boden auf. Er klopfte sich die Krümel vom Smoking und straffte die Schultern. Im Keller wartete eine bestens ausgestattete Profiküche darauf, von einem echten Liebhaber kulinarischer Genüsse gewürdigt zu werden. Hölderling war beim Anblick der beiden sechsflammigen Gasherde mit integrierten Grillstationen und Doppelbacköfen nervös geworden. Und als sein Blick auf die Schöpfkellen, Schneebesen, Rührlöffel und Pfannenwender aus Edelstahl gefallen war, die blank poliert über dem Herd aufgereiht hingen, bereit, zu dienen, zu wenden und zu rühren, hatten sich ihm die Nackenhaare aufgestellt. Ferdinand Bundt hatte Hölderlings begehrliche Blicke sehr wohl bemerkt, aber nichts gesagt. Er mochte zwar Leute, die gerne aßen, aber Leute, die sich an seiner Küche vergreifen wollten, mochte er ganz und gar nicht. Und Laien, die glaubten, sie hätten nach ein paar Kochkursen schon die höheren Weihen der Cuisine erhalten, hielt er für genauso gefährlich wie die Idioten, die sich von Sherpas auf den Mount Everest schleppen ließen, nur um sagen zu können, sie wären auf dem Dach der Welt gewesen. Weswegen Ferdi Bundt sich auch immer Marielles Wunsch nach Kochkursen für interessierte Laien widersetzt hatte. Ferdinand Bundt war kein Sherpa, und er würde auch nie einer werden.
Hölderling stand am Fenster und schaute hinaus in die Schneelandschaft. Neben ihm prasselte das Feuer im Kamin, und davor stand ein großer Ohrensessel mit Fußbänkchen, der jeden davon überzeugt hätte, Platz zu nehmen, die Augen zu schließen und sich der heimeligen Atmosphäre hinzugeben. Aber vor seinen Augen sah Hölderling Messingtöpfe und Wasserbäder, Profimesser und einen Salamander, unter dem man ganze Batterien von in Honig marinierten Entenrücken knusprig braun karamellisieren konnte. Er fasste einen Entschluss: Er würde das Paradies im Keller erobern – er wusste auch schon, wie – und machte sich auf den Weg dorthin. Er würde dem Koch ein Angebot machen, das dieser nicht ablehnen konnte.
Leider verpuffte sein Enthusiasmus wenig später vor der verschlossenen Küchentür. Enttäuschung traf es nicht ganz – ähnlich einem Süchtigen, der seinen Stoff nicht bekommen konnte, fingen Hölderlings Hände an zu zittern. Und er ging beinahe in die Knie, als er unvermittelt Annelies’ Stimme neben sich hörte. «Gut, dass du kommst. Ich muss dir was zeigen. Im Kühlhaus.»
Hölderling wusste, dass Annelies nicht vorhatte, ihm etwas zu zeigen, was er auch gerne sehen wollte. Zum Beispiel den Schwung ihres Apfelpopos … Vielmehr würde es jetzt gleich um Unappetitliches gehen. Aber in der Not frisst der Teufel Fliegen, und er musste ja nicht so genau dahin gucken, wohin Annelies zeigte, sondern vielleicht könnte er seinen Blick ein wenig schweifen lassen.
Annelies schloss hinter ihm die Tür zum Kühlhaus. In einem der Regale standen Plastiksäcke, in denen sich Marielles Kleidung befand, fein säuberlich sortiert und beschriftet. Der Samsonite stand aufgeklappt auf einem Extratisch.
Annelies ließ Hölderling keine Chance, sich hinter ihr zu verstecken, und wies ihm den Platz auf der anderen Seite des Tisches zu, auf dem die Leiche von Marielle lag. Sie war mit einem weißen Bettlaken zugedeckt, was Hölderling ein wenig beruhigte. Aber nur zwei Sekunden später war er froh über die geringe Raumtemperatur, denn Annelies, immer noch im Abendkleid, beugte sich über den Tisch, und er konnte
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