Suppenmord: Kommissar Hölderling kocht (German Edition)
wirkte unberührt. Alles war penibel aufgeräumt. Das Bett gemacht, der Schrank leer. Petra Spieß’ Koffer stand neben dem Bett. Von ihr selbst keine Spur. Hölderling klopfte an die Badezimmertür und schob sie vorsichtig auf. Das Bad war leer.
«Wo ist sie?»
«Noch im Haus unterwegs? Sie ist ja nicht so gut zu Fuß», gab Viktor zu bedenken.
«Aber wir müssten ihr doch begegnet sein.»
«Ich hasse es», sagte Hölderling und ging zum Fenster. Er suchte die Schneelandschaft nach Spuren ab.
«Glaubst du etwa, die ist weggelaufen?»
«Wenn hier einer die Nerven dafür hat, dann doch Petra. Egal, was mit ihren Füßen ist. Oder gerade deswegen. Die ist von einer bewunderungswürdigen Zähigkeit. Mir hat sie vorhin eine verpasst. Mann o Mann.»
«Wir schwärmen am besten im Haus aus und suchen sie. Da kriegen die anderen mal ein bisschen Bewegung. Das torpediert jetzt zwar deinen Plan, die Zimmer zu durchsuchen, aber ich glaube, eine vermisste Person geht vor.»
Gesagt, getan. Nach Viktors Aufruf bequemte sich die Gesellschaft in der Bibliothek mehr oder minder enthusiastisch auf die Flure und begann mit der Suche. Es wurde gerufen, Türen wurden auf- und zugemacht. Die Schritte der Suchtrupps waren im ganzen Haus zu hören. Es ging treppauf, treppab, und an den Knotenpunkten der Flure kam es zu stockendem Verkehr. Aber auch nach einer Stunde war das Krähenfüßchen unauffindbar. Traudel und Sigrid inspizierten die Wellnessoase, Lobenthal und Viktor stiegen zu den Dachstübchen hinauf. Hölderling besuchte Annelies im Kühlraum, aber sie war genauso redselig wie die in den Ecken lagernden Dosen mit Champignons, Tomaten und Thunfisch. Also hatte er sie mit ihrer Arbeit wieder allein gelassen. Unschlüssig, in welche Richtung er sich wenden sollte, stand er auf dem Flur im Küchentrakt und wünschte sich seinen iPod herbei. Nie war ihm das Geschenk von Jobst und Zabel zu seinem letzten Geburtstag wertvoller erschienen als jetzt, wo es im ersten Stock bei Heinrich dem Achten unter dem Kopfkissen lag. Jetzt ein wenig Mahler … Bevor Hölderling sich aufraffen konnte, in die erste Etage hinaufzugehen, schallte ein Ruf durchs Haus.
Anton und Hanno hatten sich die Wirtschaftsräume und weitere Lager im Untergeschoss vorgenommen, und nachdem sie die Waschküche, den Trockenkeller und den Weinkeller hinter sich gelassen hatten, war doch noch etwas zum Vorschein gekommen. Krähenfüßchens orthopädische Schuhe. Die standen akkurat auf einem Regal zwischen einer Armada von Skistiefeln der verschiedensten Größen.
«Fehlen also ein Paar Skistiefel?», fragte Hölderling, als er die Sache näher betrachtete. Conrad Faust kam in den Raum geschlurft. Er trug mittlerweile einen viel zu kurzen Bademantel mit dem aufgestickten Emblem des Romantikhotels, und an den Füßen hatte er weiße Frotteelatschen.
Ohne eine Reaktion auf die fragenden Gesichter von Anton, Hanno und Gregor schaute er sich kurz im Raum um und zeigte auf eine Lücke an der Wand, an der Skier der verschiedensten Längen aufgereiht standen. «Und ein paar Skier. Die ist doch nicht etwa mit ihren Hinkefüßen auf Skiern unterwegs?»
«Warum nicht? Weiß einer, ob sie Ski laufen kann?», fragte Anton.
«Ein Schlitten fehlt jedenfalls nicht. Wir haben fünf Leihschlitten. Sind alle noch da», sagte Conrad.
«Sie ist abgehauen», sagte Hanno Müller.
Hölderling betrachtete eine schmale Eisentür in der Wand, betätigte einen weißen Knopf neben der Tür und legte kurz sein Ohr daran. «Aha», sagte er und schob die Tür auf. Die kleine Aufzugkabine entließ einen kalten Lufthauch. Er beugte sich hinein und hielt wenig später einen pinkfarbenen Hello-Kitty-Wollhandschuh in der Hand. «Deshalb sind wir ihr nicht begegnet. Sie hat den Speiseaufzug benutzt, um hier runterzukommen.»
«Doof war die noch nie. Und sie hat sich den gangbarsten Weg ausgesucht, um hier wegzukommen. Hätten wir auch so machen sollen. Gibt’s ein Paar Skistiefel in dreiundvierzig?», sagte Hanno.
«Was du den gangbarsten Weg nennst, kann tödlich enden», sagte Hölderling. «Aber bitte, ich halte niemanden auf, der es versuchen möchte.» Er breitete die Arme aus und wies auf eine Kellertür, deren Riegel zurückgeschoben war. «Da geht’s raus.»
Conrad öffnete die Tür, und der Wind blies eine Ladung Schnee in den Kellerraum. Hölderling ging ein paar Stufen die vereiste Treppe hinauf. «Tatsächlich, Spuren von Skistiefeln, schneien langsam zu», sagte er.
Die
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