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Suppenmord: Kommissar Hölderling kocht (German Edition)

Suppenmord: Kommissar Hölderling kocht (German Edition)

Titel: Suppenmord: Kommissar Hölderling kocht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edda Minck
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du im Angesicht von Todesgefahr ans Essen denkst. Wir sollten Blutsbrüderschaft schließen.»
    Hölderling und Viktor flachsten für gewöhnlich, dass die Tapeten von den Wänden fielen, aber beide wussten trotzdem immer, wie es um den anderen wirklich bestellt war. Der Rest der 13/I, bis auf Annelies, wusste das nicht – für seine Mitschüler war Viktor ein arroganter Fatzke, geboren mit einem goldenen Löffel im Mund. Für Hölderling war er alles andere als das. Die beiden hatten sich im Gymnasium angefreundet, als Viktor in der Unterprima plötzlich in die Klasse gekommen war und sich mehr schlecht als recht integrieren konnte. Für Viktor war der Fall aus einem Internatsnest in der Schweiz mitten hinein in ein Kölner Gymnasium zunächst so etwas wie der Weltuntergang gewesen. Viel schlimmer als der Tod seines Vaters und der dazugehörige finanzielle und gesellschaftliche Abstieg der Witwe samt ihren Kindern. Viktors Vater hatte, gelinde gesagt, ein Desaster hinterlassen – inklusive einer zweiten Familie, von der Mutter Liebermann in zwanzig Jahren Ehe nichts geahnt hatte. Die Mutter, samt Viktor und seinen beiden jüngeren Schwestern, waren in die Domstadt geflüchtet, wo keiner sie kannte.
    Viktor hatte damals zwar perfekt in Englisch und Französisch parliert, aber noch nicht einmal die Alltagssprache der kölschen Kids verstanden. Im ersten Halbjahr hatte er so gut wie kein Wort über die Lippen gebracht. Jedenfalls so lange nicht, bis Gregor und Annelies ihn eines Tages einfach mitgeschleppt hatten in die Kneipen der Südstadt, Altstadt und des Friesenviertels, was für Viktor ungefähr einer Weltreise inklusive Kulturschock gleichkam. Dort war er von Hölderling mit allen Köstlichkeiten der Welt abgefüllt worden, und als er danach willenlos war, hatte Annelies ihn auf die Tanzfläche im Blue Shell geschubst. Danach waren die drei unzertrennlich gewesen, bis zum heutigen Tag. Viktors Mutter hatte auf Vermittlung von Gregor als Korrektorin im Verlag von Hölderlings Vater gearbeitet und damit erst aufgehört, als die letzte Bastion des korrekten Schriftdeutsch von der Rechtschreibreform überrannt worden war. Außerdem war die Dame auch schon weit über das Pensionsalter hinaus – aber darauf durfte man sie auf gar keinen Fall ansprechen. Ihre preußische Haltung zu allem verbot eine Pensionierung geradezu – man hatte zu arbeiten, bis der Sargdeckel zufiel. Bevor das allerdings passieren konnte, proklamierte der Duden, dass es zukünftig Delfin statt Delphin und Fotograf statt Photograph heißen sollte, und noch weiteren Quatsch in dieser Richtung. Elisabeth Virgilia Liebermann, geborene Gumbpolt, hatte daraufhin ihren Faber Castell B2 aus der Hand gelegt und statt rechtschreibschwacher Autoren fortan ihre Kinder terrorisiert. Viktors Schwestern hatten sich schließlich ins benachbarte Ausland, nach Amsterdam und Brüssel, geflüchtet, Viktor nach Sarkasien, das gefährlich nah an Zynisien lag, wie er es zu beschreiben pflegte.

    «Was wirst du jetzt also tun, Gregor? Außer in meiner Kindheit herumzuwühlen? Ich meine, wenn es hilft, den Täter zu finden, bitte sehr, aber ich glaube, dass wir da nicht weit kommen.»
    «Egal, was ich hier tue, wir werden nicht weit kommen. Das, was ging, haben wir schon getan. Alles durchsucht – nichts wirklich Erhellendes gefunden. Annelies kommt auch nicht weiter ohne ihr Labor-Brimborium. Wir können weder Fingerabdrücke vergleichen noch DNA-Tests machen …»
    «Wie wäre es mit Folter? Irgendeiner wird schon gestehen.»
    Hölderling lachte. «Hast du es noch mal beim Krähenfüßchen zu Hause versucht? Und auf ihrem Handy?»
    «Hab ich. Nichts. Und mit Verlaub, auch ich habe etwas geschlafen, hier, auf der Chaise. Für die Sauna sollte man fit sein … ich werde mich gleich auf den Weg machen.»
    «Was haben Sigrid und Traudel gemacht?»
    «Sich eingeschlossen. Vermutlich schreiben sie blutrünstige Verse in ihre Poesiealben … Ach ja, bevor ich es vergesse: Hier ist die Liste von Conrad. Er wollte sich hinlegen und hat sich fürs Mittagessen abgemeldet.» Gregor nahm zwei engbedruckte Seiten Papier entgegen, die er zusammenfaltete und in die Hosentasche seiner Jeans steckte. «Hauptsache, die beiden Heulsusen bringen keinen um. Gehen wir runter und gucken bei Annelies vorbei und bei Ferdi Bundt. Ich habe Lust, ihm etwas zur Hand zu gehen. Vielleicht kann ich mir irgendeinen Trick abgucken.»
    «Wenn du gestattest, werde ich mich nicht anschließen,

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