Surf
beherrscht nicht ein einzelner großer Hersteller den Markt. Zwar verkaufen einige australische und südkalifornische Hersteller ihre Bretter weltweit, doch in erster Linie handelt es sich um eine Art Heimindustrie, wobei es in jeder kleinen Surfer-Stadt ein oder zwei einheimische Surfbrettbauer mit Werkstattverkauf und einer treuen Kundschaft gibt. Also folgte ich Vinces Rat und verabredete mich mit seinem Surfbrettbauer auf der anderen Seite der Stadt im Ocean Grove Surfboards – einer alten Werkstatt an einer schattigen, von kleinen Häusern gesäumten Straße mit Redwoods und duftenden Eukalyptusbäumen. Jack Bence, von Beruf Tischler, der sich schließlich auf das Surfbrettbauen spezialisiert hatte, war ein ortsbekannter Surfer; er surfte an der Lane seit zwanzig Jahren, kannte sich aber auch an der Pipeline, Crajagan und Jeffreys's Bay aus. Vince hatte ihn mir wärmstens empfohlen. Jack hatte sein Haus gekauft, bevor die Immobilienpreise in die Höhe schossen, gelbe Rosen gepflanzt und einen japanischen Steingarten angelegt. Er stand lässig in Jeans und einer alten Wolljacke, die Haare voller Schleifstaub, bei offener Tür in seiner Werkstatt, neben sich eine geöffnete Bierflasche, im Radio eine Sportübertragung. Als ich parkte und in den windstillen Nebel trat, zog er die Schutzmaske vom Gesicht, schüttelte mir die Hand und nahm dann ein Blatt Papier aus einer Schachtel. Er stellte Fragen wie ein Therapeut, der einen neuen Patienten empfängt. «Wie surfst du?»
«Keine Ahnung», antwortete ich. «Ich meine, ich surfe erst seit ein paar Jahren, aber ich möchte sportlicher surfen, weißt du? Nicht mehr so gemütlich.»
«Wo surfst du?» Als er mir direkt ins Gesicht sah, bemerkte ich die tiefen Krähenfüße und die Lachfältchen um den Mund, die aus der Zeit stammten, die er in Sonne und Salzwasser verbracht hatte. Seine Hände sahen überraschend schmal und zart aus.
«Weiter oben im Norden», sagte ich und versuchte, gelangweilt zu klingen, «in der Stadt, wenn die Wellen hoch sind.»
Er notierte sich etwas und schien eine schwierige Entscheidung zu treffen. An der Wand hingen Fotos von schönen Frauen und tiefen, saugenden Tubes.
«Du gehst also nicht raus, wenn's dicke kommt?»
«He?» Was für eine Frage! «Ahhh … nein, ich meine, bei ziemlich großen schon. Doppelt über Kopf hoch, schätz ich mal. Vielleicht noch größer, manchmal.»
Er nickte und notierte sich ein paar Zahlen.
«Was sind deine Ziele beim Surfen?»
«Floaters, Aerials … ich meine, ich bin 27, und klar, das ist alt, aber früher war ich ein ziemlich guter Skateboarder, und dasselbe will ich jetzt in den Wellen machen.»
Er nickte, als wollte er sagen: Ja, mein Sohn, das ist schon richtig. «Also viel Tail Rocker.»
Von einem Gestell hingen drei Surfbretter, die noch nicht mit Fiberglas überzogen waren, jedes mit einem Airbrush-Muster darauf, das trocknete: Flammen, eine Sonne, die hinter Wolken hervorkam, eine nackte Frau mit übertriebenen Proportionen.
«Rocker? Ja, mein jetziges Board bringt mich immer zu parallel zur Welle. Ich brauche etwas, mit dem ich richtig in die Welle reingehen kann. Deshalb …»
«Willst du zusehen, wenn ich anfange?»
Wir gingen durch seinen Laden, vorbei an den Rohlingen – unbearbeitete Bretter, die an den Wänden gestapelt waren – und kamen in einen abgeteilten Raum hinten in der Werkstatt. In dem kleinen, schwarz gestrichenen Raum lag ein 2,20-m-Rohling auf einem Gestell. An den Wänden hingen hüfthohe fluoreszierende Streifen. Mit einer elektrischen Schleifmaschine mit Staubsaugerschlauch brachte Jack den Rohling schnell in eine ausgeprägte, markante Form. In seinen teuren Basketballschuhen ging er auf dem Brett auf und ab wie ein alter Eintänzer. Dann nahm er ein langes Stück Sperrholz in die Hand, eine Schablone, die die Wölbung des Brettrandes festlegen sollte. Er zog einen Strich über das hintere Ende des Bretts, einen anderen an der Spitze, dann schnitt er es mit einer Handsäge aus und ging anschließend wieder über das Brett. Die Feinheiten der Bodenform und der Randwölbung legte er fest, indem er mit Streifen Schmirgelpapier über jeden Teil des Bretts strich, wobei er nie eine Änderung vornahm, die er nicht auf das ganze Brett übertrug. Obwohl er oft Maß nahm, den Linien, Markierungen und Mustern folgte, hielt er auch mehrmals inne, stellte das Brett aufrecht hin und fuhr mit den Händen daran entlang. Dann legte er es erneut auf das Gestell, glättete
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