Surf
Buckel- und Finnwale so zahlreich und sammelten sich so nah an der Küste im Kelp, dass sie die Navigation behinderten. Während die Walfänger aus Neuengland noch immer mit Harpunen jagten, hatten die Kalifornier im 19. Jahrhundert Kanonen und Lanzen mit explodierenden Bomben. In den stillen, seichten Lagunen von Baja California, den Zufluchtsstätten der trächtigen Leviathane, wurden Tausende kalbende Grauwale in die Luft gesprengt. Stationen entstanden an der Nordküste, kleine Barackensiedlungen, in denen ein Dutzend Portugiesen mit ihren Familien wohnten. Wenn die Küstenwache Wale ausmachte, wurden kleine, offene Boote zu Wasser gelassen, in denen die Männer zum Jagen manchmal meilenweit hinausfuhren. Wenn sie nicht zerschmettert wurden, zerrten sie einen Grauwal hinter sich her auf den Strand und schnitten ihm in einer kontinuierlichen Spirale den tranigen Speck ab, schälten ihn wie eine Orange. Ein Mann auf einer Klippe am Pazifik auf vorübergehend besetztem Territorium signalisierte seinen Landsleuten in den kleinen Holzbooten mit Fahnen; und jetzt am Ende des 20. Jahrhunderts schrie ein Vollidiot einer Gruppe Männer im Wasser etwas zu. Aber diesmal ist es für das halbe Dutzend Mannschaft und die Küstenaufsicht, vielleicht auch für den Wal nur ein Spiel.
Auf dem Parkplatz traf ich zwei Burschen aus dem Wasser; sie waren ziemlich freundlich und beide starke Surfer. Ich fragte sie, ob sie den Wal gesehen hätten.
«Ach, darum warst du so aufgeregt?», fragte ein stämmiger Bursche mit rotem Flanellhemd. Sein Freund gluckste und sah in seinen Jeep Cherokee. «Wir dachten schon, du hättest einen Flashback.»
Surfen bestimmt deinen Lebensstil», schreibt der ehemalige professionelle Surfer Mike Doyle in seiner Autobiographie Morning Glass , «wie kein anderer Sport, den ich kenne … Die Brandung ist nur zu einer gewissen Zeit gut… Wenn du also ein ernsthafter Surfer bist, musst du dein Leben drum herum organisieren.» Vince hatte mir das Buch empfohlen; ihm war Doyle als ein interessanter Typ in Erinnerung. Also hatte ich es mir im Santa Cruisin' besorgt – einem hiesigen Longboard-Laden und Tempel für alles im goldenen Zeitalter des Surfens Notwendige (das im Kopf der heutigen Weisen anscheinend Mitte der 60er Jahre anzusiedeln ist, als sie zufällig alle jung waren). In der Surfer-Welt konnte Doyles Leben bestimmt nicht als repräsentativ bezeichnet werden. Er wurde 1941 in Inglewood als Sohn einer allein stehenden, werktätigen Frau geboren und hatte mit fünfzehn, schreibt er, «bereits die alte polynesische Tradition des Wassermanns als seine eigene angenommen und den langen Weg zur Beherrschung aller Geschicklichkeiten des Wassermanns beschritten», wie Surfen, Paddeln, Rudern, Wildwasserschwimmen, Angeln und Speerfischen. All das war damals die spezielle Pazifik-Rim-Variante männlichen Pioniergeistes, als die Sitze der Surfer-Trucks noch mit polynesischen Tüchern bezogen waren und die Typen in Tiki-Hütten aus Treibholz wohnten und vom Colaflaschen-Sammeln und -Zurückbringen lebten. Nach der Highschool zieht Doyle in eine gemeinschaftliche Quonset-Hütte an der Nordküste von Oahu. Rettungsschwimmer in Santa Monica, Katamaransegeln nach Tahiti, Riesenwellen vor Hawaii surfen, die gesamten zwanzig Meilen von Kauais Na-Pali-Küste abschwimmen, mit Perus Machtelite herumhuren, zahllose Wettbewerbe gewinnen und 1964 zum besten Surfer der Welt gewählt werden – und doch erfüllt sich Doyles ersehntes Leben nicht ohne Opfer.
Während Freunde wie Hobie Alter ein enormes Vermögen in der boomenden Beach-Lifestyle-Industrie machen, Tom Morey das Boogie-Board erfindet und Howey Sweitzer das Windsurfbrett, während Jim Jenks die Ocean-Pacific-Klamottenkollektion herausbringt und Bruce Brown seinen Endless Summer dreht, tut Doyle nichts von alledem. Er schmeißt seinen lukrativen Job bei Catalina Swimwear, weil «ich sonst heute in einer festungsartigen Villa in Del Mar verschanzt säße, mit riesigen Hypotheken auf dem Buckel, zu hohem Blutdruck und einem Job, den ich hasse». In Ordnung! Er gründet dann Surf Research und verkauft das erste Surf-Wachs, einen speziellen Aufsatz für Nose-Riding sowie Surfer-Müsli. Doch wenn das Geschäftliche in die Freizeit fiel, hieß das für Doyle und seine Partner: Schluss. «Wir wollten keine Surfmogule sein», schreibt Doyle, «wir wollten nur unseren Spaß im Wasser, wollten gesund und glücklich sein.» Er erfindet den ersten Monoski, entwickelt
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