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Surf

Surf

Titel: Surf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Duane
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Kante des Felsens hatten sich Rankenfußkrebse und Muscheln festgesetzt, Gemeinschaften, die immer wieder bei Ebbe zum Vorschein kamen und bei Flut abtauchten und der vollen Wucht der Brandung ausgesetzt waren. Violette Seeigel sträubten an den Wänden eines badewannengroßen Wasserlochs ihre Stacheln, verkrochen sich in ihre privaten, kleinen Höhlen, die sie in den Felsspalten gefunden hatten. Die organischen Türen der Rankenfußkrebse waren jetzt geschlossen, um die Feuchtigkeit zu halten, würden sich aber bei Flut öffnen – ein vom Rhythmus der Gezeiten geregeltes Leben, gewaltsames Eindringen und Rückzug. Eine neue Gruppe von Wellen erhob sich über den jetzt überschwemmten Klippen, krachte auf die Plattform und versprühte Schaum über uns und die Wasserlachen. Vince wurde ungeduldig und begann auf und ab zu gehen. Er sah sich nach einem Platz um, den er ansteuern konnte, ärgerte sich über Konsistenz und Länge der Wellen. Dann ging er einfach los und kletterte über die gefährlichen Muschelkämme. Als er auf einem kleinen Muschelwulst frei dastand, rollte eine grüne Wand auf ihn zu; er machte einen Satz, sie stürzte vor ihm nieder wie ein Stier vor dem Torero und krachte dann in die Felswand hinter ihm. Bäuchlings auf seinem Brett warf er sich auf die Brandung und legte sich hart ins Zeug, als eine andere Welle ihn in eine Strömung drängte und ihn nach links in eine brodelnde Suppe spülte. Dann kam eine Flaute, und er schaffte es hinaus. Brett in der linken Hand, mit der rechten in die Muscheln greifend, kletterte ich hinunter in den Bereich der aufschlagenden Brandung, durch tiefe Wasserlöcher mit kleinen Wasserfällen, die von den Felsterrassen herabprasselten, und hinaus auf einen muschelüberwachsenen Bug. Genau wie Vince wartete ich darauf, dass eine Welle an der Felswand entlang zu mir heranrollte, dann sprang ich. Leider verfing sich die Leash meines Bretts an einer Felsnase und riss mir das Board mit einem Ruck aus den Händen, gerade als ich lossprang. Ich landete ohne Brett in der Brandung, blieb im jetzt fallenden Wasser dieses Schindangers stecken, einer Senke voller unberechenbarer Felsblöcke. Ich kraulte zurück und griff nach dem Felsen und lag flach darauf, als die erste Welle auf meinen Rücken krachte und mein Board gegen den Stein schleuderte; die nächste warf es mir an die Schulter, dann war Flaute. Ich griff nach der verfangenen Leine, gerade als eine andere große Gruppe Wellen draußen auftauchte; Vince schrie mir zu, ich solle in Bewegung kommen.
    Die Leash kam los, und ich wollte gerade springen, da verfing sie sich erneut, also streckte ich mich bäuchlings über dem muschelbewachsenen Steinwulst aus, zerrte an der Leine, bis meine Fingerknöchel bluteten, und stellte fest, dass mir keine Zeit mehr blieb. Der Wasserspiegel sank um gut einen Meter, die grünlich-graue Wand schwoll an und kam brodelnd auf mich zu. Ich stieg etwas weiter hoch, hechtete in ein gemütliches Loch und hielt mich fest, als der Schaum über jenes Bollwerk hinwegdonnerte. Das Wasser prallte gegen meine linke Seite und zerrte mich über die Klippe, einfach so – in freiem Fall rückwärts mit schrecklicher Unvermeidlichkeit in die Senke. Ich wusste, wenn mein Kopf oder Genick auf einen der Felsen da unten aufschlagen würde, wäre es das Ende. Aber dann war ich tief unter Wasser, wirbelte umher, ohne gegen etwas zu stoßen; kam bei meinem Brett an die Oberfläche, zog mich hoch und paddelte hysterisch kichernd hinaus; eine typische reflexhafte Reaktion auf eine Katastrophe, der ich knapp entgangen war. Vince wollte wiederholt wissen, ob ich verletzt sei. Er fand, mein Lachen sei wahrscheinlich ein Hinweis darauf, dass ich ein Trauma oder einen Schock erlitten hatte. Als ich mich wieder beruhigt hatte, sagte er, ich solle in Zukunft vorsichtiger mit meiner Leine sein.
    Eine nahezu zwei Meter hohe Welle rollte durch das stille Wasser. Sie stieg steil an und brach nicht zufällig genau an einem Streifen Seegras, der an einem Felsen unter Wasser festgewachsen war. Genau gesagt, so unter Freunden, gehörte diese Welle mir, aber Vince paddelte hart an meinem Bug vorbei, um Position zu beziehen, und in mir steckte kein großer Kämpfer mehr. Ich überließ sie ihm einfach, griff nach dem Luftsack eines Kelpstrangs und leistete meinen Beitrag zur Entropie, zerdrückte ihn zwischen den Fingern, um das Aufplatzen zu spüren, verschmierte seinen klaren Schleim in meiner Handfläche und überlegte, wie

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