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Survive

Survive

Titel: Survive Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Morel
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meiner Nase gefrieren, und ich habe Schwierigkeiten, die Augen offen zu halten, selbst mit der Schneemaske. Ich weiß nicht, wie er es schafft, Paul kämpft sich mit schnellen Schritten unbeirrt vorwärts, als stiefele er an einem Frühlingstag durch ein paar Pfützen. Wie stark der Wind auch bläst, er legt ein stetiges Tempo vor, das Gesicht starr nach vorn gerichtet.
    Als wir uns dem Flugzeug nähern, hält er kurz inne und starrt auf den Kopf des Flugkapitäns.
    »Es ist der Pilot«, flüstere ich und denke, dass Paul unter Schock steht, so wie ich, als ich den Schädel zum ersten Mal gesehen habe. Doch dann dreht er sich mit einem eigenartigen Grinsen im Gesicht zu mir um.
    »Scheiße«, sagt er mit einem nervösen Lachen. »Das ist schlechtes Karma. Wenn der Bursche zuvor mit ganzem Kopf bei der Sache gewesen wäre, wären wir vielleicht nicht abgestürzt.«
    Was für ein Arschloch, denke ich.
    Ich wende mich ab, knie mich für eine Sekunde hin und tue so, als suche ich nach etwas, während ich versuche, wieder zu Atem zu kommen. Als ich aufschaue, ist Paul bereits zu dem aus dem Schnee ragenden Bein des Piloten weitergegangen. Ich will zu ihm hinrennen und ihn an den Schultern packen, ihn umdrehen und ihm ins Gesicht schlagen. Ihn daran erinnern, dass das Menschen sind, dass das Leben heilig ist, selbst wenn es einem meistens wie ein Haufen Scheiße vorkommt.
    Aber ich weiß, dass es Zeitverschwendung wäre. Er würde mir ins Gesicht lachen. Aus genau dem Grund werden, so meint jedenfalls BS , so viele große Komiker drogensüchtig oder bringen sich um. Wenn alles im Leben ein Witz ist, dann hat nichts irgendeinen Sinn. Wenn es keinen Sinn gibt, warum soll man dann leben? Ihr versteht die Logik.
    Ich beobachte Paul aus sicherer Entfernung. Er gräbt im Schnee um das Bein und den Leichnam herum. Nach einigen Minuten fördert er den kopflosen Körper zutage. Er öffnet die Jacke des Piloten, steckt die Hände in die Innentasche und zieht ein Päckchen Zigaretten heraus, das er sich in seine eigene Jacke stopft. Dann nimmt er die Fliegersonnenbrille des Piloten und hält sie hoch, als hätte er einen vergrabenen Schatz gefunden. Er setzt die Brille auf, dreht sich zu mir um und deutet mit einem Gesichtsausdruck auf die Brille, als wolle er sagen: »Na, wie sehe ich aus?«
    Er widert mich an, aber ich halte den Mund. Ich muss es mit Paul aushalten, bis wir es geschafft haben, hier rauszukommen. Ich brauche ihn. Ich kann es mir nicht leisten, ihn vor den Kopf zu stoßen.
    »Leider kein Feuerzeug. Wir brauchen ein Scheißfeuerzeug.«
    Er schreitet weiter auf das Flugzeugwrack zu, und wir betreten es von der anderen Seite aus. Ich stehe da und sehe zu, wie sich Paul den gelben Rucksack greift. Ich hatte recht: Es ist seiner. Er öffnet den Rucksack, wühlt darin herum und zieht ein kleines schwarzes Notizbuch heraus. Er starrt es für einen Moment an, dann steckt er es in das Futter seiner Jacke und wirft sich den Rucksack über den Rücken.
    »Das hatte ich ganz vergessen«, sagt er und zeigt auf seinen Rucksack. »Ich habe da drin nasse Streichhölzer. Damit kommen wir hin.«
    Er schaut sich um, nimmt das Bild auf, das sich ihm bietet. Die auf beiden Seiten offene Kabine, der wirbelnde Wind. Es gibt hier keinen Schutz. Er sieht zum Himmel auf.
    »Es wird dunkel – und das war’s dann«, sagt er. »Wir werden hier verdammt noch mal erfrieren.«
    »Nein«, widerspreche ich. »Im Heck ist eine Toilette. Da gibt es eine Tür.«
    »Wo müssen wir hin?«
    Ich deute in die Richtung, wo das Heck liegt. Er geht ohne jedes Danke oder Entschuldige bitte oder G ute Arbeit! an mir vorbei. Das Wort Verachtung trifft den tiefen, brodelnden Hass, den ich für Paul Hart entwickele, nur unzureichend.
    Auf dem Weg aus der Passagierkabine entdeckt er Margaret, hält ihre Hand hoch und zeigt auf den Ring. »Was für ein Mordsklunker!«
    Ich explodiere, kann meinen Zorn jetzt nicht mehr zurückhalten.
    »Halt den Mund«, brülle ich. »Sie sind tot. Sie ist tot. Menschen warten auf sie.«
    Paul zuckt kurz zusammen.
    »Was?«
    »Sie sind Menschen«, rufe ich. »Sie heißt Margaret!«
    Paul steht reglos im Schnee, sieht mich nur an und ist anscheinend verblüfft über meine Wut.
    »Sie sind kein Müll, den man durchwühlt und über den man lacht.« Ich klinge, als wolle ich mich rechtfertigen, was lächerlich ist.
    Paul steht wie erstarrt da, dann blickt er auf Margaret hinunter, nimmt seine Sonnenbrille ab und sieht dann wieder mich

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