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Survive

Survive

Titel: Survive Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Morel
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Stelle in den Riss im Fels wie Paul zuvor. Zur Rückversicherung schaue ich noch einmal nach oben. Paul ist nicht zu sehen, aber ich weiß, dass er irgendwo dort oben ist, gegen einen Felsen gelehnt, um mehr Halt zu haben. Ich spüre, wie eine Welle des Glücks in mir aufsteigt. Paul klemmt hinter einem Felsen, er wird nicht loslassen. Erwird mich hochziehen, wenn ich falle. Was ich auch tue, wir werden einen Weg finden. Wir werden hier rauskommen.
    Ich springe auf und greife mit den Fingern meiner linken Hand in den Fels hinein. Ich sehe Pauls Steigroute jetzt deutlich vor mir. Meine rechte Hand folgt der linken und bekommt schnell eine Ausbuchtung im Fels zu fassen. Meine Beine sind plötzlich voller Kraft und springen von einer Spalte zur nächsten. Meine Hände scheinen aus Eisen zu sein, und ich packe den Fels mit einem festen Griff, von dem ich gar nicht wusste, dass ich ihn besitze.
    Ich erreiche den Punkt in der Mitte des Felsens, wo Paul innegehalten hat, und höre für einen Moment auf zu klettern. Ich spüre, wie das Seil an mir zieht, und nehme die linke Hand, um meinerseits zurückzuziehen. Das Seil wird schlaff. Ich stehe reglos da, atme tief durch und schaue bewusst nicht nach unten.
    »Du bist große Klasse, Jane!«
    Ich blicke auf, und diese Käferaugen sehen mich an.
    Ich schaue die Wand hinauf. Ich kann nicht die gleiche Route nehmen, die Paul für die drei verbliebenen Meter genommen hat. Seine Arme sind lang, und seine Sprungkraft sowie die Stärke seines Oberkörpers übertreffen meine Fähigkeiten bei Weitem. Ich sehe einen Spalt in der Wand, der von meiner Höhe in einer blitzförmigen Zickzacklinie bis nach oben führt. Das Problem ist, dass er sich noch fast drei Meter rechts von mir befindet.
    »Wenn ich es nicht dort hinüber schaffe« – ich strecke beim Rufen die Hand aus – , »kannst du mich dann halten?«
    »Ja. Warte, bis ich dreimal am Seil ziehe. Das bedeutet, dass ich so weit bin. «
    Ich recke den Daumen hoch und warte. Alles ist still, bis auf den Wind. Er heult um uns herum: ein leises, furchtbar hallendes Geräusch, das von Fels zu Fels hüpft. Einsam und verlassen streift er durchs Tal. Ich weiß, warum dieses einsame Lied schon zuvor seinen Weg in mein Herz gefunden hat, warum mir diese reine Schönheit der Einsamkeit selbst zum Freund werden konnte. Sie ist verführerisch und süß, vielleicht süßer als alles, was zwei Menschen miteinander teilen können. Ich kann noch immer ihren Ruf hören, aber ich will ihm nicht mehr folgen. Ich habe nur noch die vor mir liegende Aufgabe vor Augen, die darin besteht, mich drei Meter nach rechts zu bewegen, ohne mich umzubringen.
    Eins. Zwei. Drei. Paul zieht an dem Seil. Ich spüre, wie es sich um meine Hüfte spannt, stoße mich von der Wand ab und fliege eine Sekunde durch die Luft, weg von der Erde und weg von ihrer Schwerkraft. Dann knallt mein Körper wieder gegen die Wand. Ich kralle mich Halt suchend an den Fels. Meine Hose spannt sich, und die Schlaufen um mein Seil werden arg strapaziert. Ich höre, wie eine der Gürtelschlaufen reißt, und begreife plötzlich eins: Wie stark Paul auch sein mag und wie sehr er sich auch gegen das Seil stemmt, wenn die Schlaufen oder das Seil nicht mitmachen, bin ich am Arsch.
    Meine linke Hand findet zuerst Halt. Ein kleiner Felsvorsprung, den meine Finger zu fassen bekommen, wird zu meinem Rettungsanker. Ich drücke mich fest an die Wand, konzentriere mich auf Zeigefinger, Mittelfinger und Ringfinger. Ich werfe einen raschen Blick den Felsspalt hinauf, der einen knappen Meter rechts von mir und ein Stück über meiner Schulter verläuft. Ich greife mit der rechten Hand zu und kralle meine Finger in den Spalt, wo seine Zickzacklinie über die Felswand gelaufen kommt. Ich prüfe die Festigkeit meines Griffs, und ziehe mich dann schnell hoch. Meine Füße scharren immer noch Halt suchend über den Fels, aber da Paul oben zieht, können sie warten. Ich greife mit der linken Hand nach oben und ziehe mich den Spalt hinauf.
    Unvermittelt findet mein rechter Fuß eine Felsspalte, und ich klettere los. In Sekundenschnelle steige ich mit Pauls Hilfe nach oben, die Wand hinauf und dem Sims entgegen. Ein kleiner Felsvorsprung ragt ein wenig heraus, und ich komme nicht an ihm vorbei. Paul zieht kräftig, aber das drückt mich nur umso mehr gegen den Fels.
    »Stopp! Hör auf zu ziehen!« Ich schreie, so laut ich kann, damit er mich hört.
    Das Seil bleibt gespannt, aber das Ziehen hört auf.
    »Ich

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