sus
verblassen.
„Sie sind sehr freundlich“,
sagt sie seufzend. „Aber ich glaube nicht, daß man den Klauen eines Erpressers
jemals entkommen kann. Sehen Sie, er hat mich damals gekannt. Wie er mich hier
wiedergefunden hat, weiß ich nicht. Aber jedenfalls hat er angefangen, mir
diese rosa Visitenkarten zu schicken, anonym, um mir einen Schrecken einzujagen...
was er auch geschafft hat... Und dann hat er sich gemeldet, und ich hab
gezahlt... Das geht jetzt schon monatelang so...“
„Aber ich denke, Sie wollen
nicht mehr zahlen“, sage ich lächelnd. „Wenigstens haben Sie das gesagt, als
Sie mich für etwas hielten, was ich nicht bin.“
Sie wirft mir einen
schwermütigen, herzergreifenden Blick zu.
„Ich hab auch gesagt, daß ich
nicht mehr kann. Und das stimmt. Ich komm nie mehr aus diesem Schlamassel raus.
Es wird einen Riesenkrach geben. Daran kann niemand was ändern. Weder Sie noch
ich noch Ihr Chef. Natascha erfährt, daß ich Geld aus der Kasse genommen habe,
um diesen Chinesen zufriedenzustellen... und gleichzeitig auch noch, warum er
mich erpreßt hat...“
„Dann weiß Natascha nicht, daß
und warum Sie erpreßt werden?“
„Natürlich nicht! Mein Gott!
Meinen Sie denn, Natascha war auch... auch...“
„Sie waren nicht die einzige
emigrierte Russin in der Taverne du Brûlot .“
„Leider nicht, nein! Aber
Natascha ist direkt nach Frankreich gekommen, von Gallipoli ,
mit ihrem Mann, Oberst Spiridowitsch . Sie war nicht
gezwungen... wie ich... Der Oberst gehörte zu den glänzendsten Erscheinungen
der weißrussischen Emigration. Lange Zeit haben die Alliierten auf ihn
gesetzt... auf ihn und auf General Goropoff , dessen
rechte Hand er sozusagen war... um gegen die Roten vorzugehen. O ja, zwischen
mir und Natascha gibt es einen riesengroßen Unterschied! Ich bin nicht würdig,
ihr die Schuhe zu putzen. Jetzt weniger denn je. Sie war meine Wohltäterin, und
so danke ich es ihr...“
Sie verliert sich in
Erinnerungen, kehrt dann wieder in die Gegenwart zurück.
„Der Skandal ist nicht zu
vermeiden. Aber ich könnte die Schande besser ertragen — in meinem Alter! —
wenn ich wüßte, daß dieser Mensch auch nicht ungeschoren davonkommt. Meinen
Sie, Ihr Chef...“
„Wenn Sie ihn kennen würden,
dann wüßten Sie, daß er mit allem und jedem fertig wird. Sie brauchen keine
Angst mehr vor Tchang-Pou zu haben, Sonia. Nestor
Burma kennt Mittel und Wege, ihm das Maul zu stopfen.“
„Ihr Wort in Gottes Ohr, mein
Kind.“
Mein Kind? Hm... Wie soll ich
denn das verstehen? Na ja... Weiter im Text.
„Neulich“, fahre ich fort, „hat Tchang-Pou Sie bis ins Geschäft am Boulevard
Haussmann verfolgt.“
„Ja.“
Sie wundert sich über nichts
mehr.
„Was wollte er? Geld?“
„Nein. Ich glaub, er hat den
dicken Brocken, den ich ihm vor kurzem in den Rachen geworfen habe, noch nicht
verdaut. Nein, er hat mich zur Seite genommen... natürlich konnten wir uns
nicht lange unterhalten... und dann hat er mir einen Satz zugeflüstert, den ich
nicht verstanden habe: ,Wenn Sie mir noch einmal
irgendwelche Blödmänner vorbeischicken, die bei mir rumschnüffeln, dann können
Sie was erleben. Ich werde meine Tarife erhöhen.“ Ich hab gesagt, ich verstehe
nicht... und das stimmte auch... ich habe Ihnen niemanden vorbeigeschickt. ,Macht nichts, die Tarife werden erhöht“, hat er gesagt. Und
dann hab ich gesehen, was Sie in Ihrer Tasche hatten. Da hab ich geglaubt, Sie
kämen von ihm.“
„Nein, Sonia. Ich komme von
Nestor Burma. Der wird entzückt sein zu hören, daß Tchang-Pou ihn als Blödmann bezeichnet. Ein weiterer Grund, ihn zu lieben. Mein Chef war’s
nämlich, den Tchang-Pou beim Rumschnüffeln überrascht
hat. Allerdings geschah das in Goldys Auftrag. Dann
hat also Tchang-Pou gemeint, Sie hätten diesen Hausbesuch
veranlaßt?“
„Ja.“
„Und warum?“
„Keine Ahnung.“
Wir schweigen beide. Die Bäume
im Garten rauschen leise. Es regnet immer noch. Ich höre das Plätschern aus
einer Dachrinne. Mein Kopf arbeitet. Ich zerwühle mir das Haar und sag zu mir
selbst: ,Ich liebe dich!“ Ob mich das auf einen
Gedanken bringt, weiß ich nicht. Jedenfalls hab ich einen.
„Also“, beginne ich. „ Tchang-Pou droht Ihnen, Ihr Geheimnis zu enthüllen. Sie
zahlen, damit er schweigt. Wär doch ziemlich dämlich, ihm einen Einbrecher auf
den Hals zu schicken, um das Geld zurückzuklauen ,
oder?“
„Weiß ich nicht, ob das dämlich
wär. Aber so was ist mir nie in den Sinn
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