Susan Andersen
hatte er vermutlich auch Hilarys und Megans Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Aber der echte Vorzug eines größeren und stärkeren Körpers waren die lockeren Mädchen, die um ihn herumschlichen und jederzeit bereit waren, ihn von seinen düsteren Gedanken abzulenken. Dafür verlangten sie nichts als ein bisschen Spaß mit ihm.
Und er tat sein Bestes, um ihnen gefällig zu sein. Unter der Tribüne und auf schimmeligen Gymnastikmatten im Geräteraum der Schule brachten sie ihm alles bei, und er passte auf und lernte. Dann revanchierte er sich auf dem Rücksitz seines elf Jahre alten Chevy Cavalier, der zwar ein Rosthaufen, aber sein ganzer Stolz gewesen war.
Wo er jetzt darüber nachdachte, fiel ihm auf, dass er schon lange keine erwachsene Version dieser lockeren Mädchen mehr aufgegabelt hatte. Vielleicht war es an der Zeit, sich eine lockere Frau zu suchen. Denn nach Poppys Küssen und Berührungen fühlte er sich wild und rücksichtslos und gefährlich. Diese Session vor dem Kühlschrank gerade hatte ihm fast das Hirn rausgepustet. Jase sehnte sich nach nichts mehr, als keine Sekunde länger den eigenen Regeln zu gehorchen.
Aber es müsste schon mit dem Teufel zugehen, wenn er sich wieder in diesen unverantwortlichen Jugendlichen zurückverwandelte. Heute Abend war niemand verletzt worden. Doch das könnte sich ganz schnell ändern, wenn er weiterhin zuließ, dass Poppy ihn dermaßen um den Verstand brachte. Darum stand sein Entschluss fest: So etwas wie vorhin durfte nie wieder passieren.
Und sobald er sich ein paar Stunden freischaufeln konnte, wollte er in die nächste Cop-Kneipe gehen und dort ein Groupie auflesen.
Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen, Junge.
„Jesus!“ War es nicht schon schlimm genug, dass er immer wieder Pops’ Stimme hörte, die ihn zu irgendwelchen illegalen Handlungen ermutigte? Nein, jetzt äußerte sie sich auch noch zu seinem beschissenen Liebesleben! Genau das, was er brauchte!
Jedenfalls hatte er nicht vor, die Vorstellungen eines anderen zu befriedigen. Natürlich könnte er es tatsächlich gleich heute Nacht tun, aber er wäre sicher keine unterhaltsame Gesellschaft. Und wenn er schon sonst nichts zu bieten hatte, so wollte er einer Frau wenigstens Vergnügen bereiten, solange es dauerte.
Also ein anderes Mal. Bald. Denn er musste weiß Gott etwas Dampf ablassen.
Poppys gerötetes Gesicht schlich sich wieder in seine Gedanken. Jase schob es strikt zur Seite, doch nicht schnell genug, um seine qualvolle Begierde zu unterdrücken.
Zur Hölle, er konnte es nur wiederholen: Es war Zeit, Dampf abzulassen.
Bevor er noch eine Dummheit anstellte.
„Was zum Teufel tust du da?“
Poppy zuckte zusammen und kleckste etwas von der Farbe, mit der sie gerade den Roller tränkte, über den Rand der Wanne. Finster starrte sie zu Jane, die im Türrahmen des oberen Schlafzimmers der Wolcott-Villa stand. „Nach was sieht’s denn aus?“, fauchte sie und wischte den Rand der Wanne mit einem feuchten Tuch ab, das sie zurück in ihren Kittel steckte. „Streichen.“
„Ah, wir sind ein bisschen gereizt.“ Das war keine Frage, und ohne auf Poppys schlechte Laune zu achten – was nur eine enge Freundin wagen konnte –, spazierte Jane ins Zimmer. „Reißt du mir den Kopf ab, wenn ich frage, weshalb? Es ist fast zweiundzwanzig Uhr.“
„Ich weiß, wie spät es ist!“ Poppy seufzte, legte den Roller in die Wanne und sah ihre Freundin an. „Ich habe meine Aufgaben hier ziemlich schleifen lassen und zufällig etwas Zeit“, erklärte sie mit erzwungener Ruhe – und bekam umgehend ein schlechtes Gewissen.
Was gar nicht nötig war. Schließlich hatte sie nicht gelogen. Vielleicht hatte sie nicht die ganze Wahrheit gesagt, aber sie hatte ihre Aufgaben in der Villa in letzter Zeit tatsächlich schleifen lassen.
„Du weißt, was Ava sagen würde, oder?“, fragte Jane, die mit langen Schritten durchs Zimmer spazierte.
„Da musst du schon etwas konkreter werden“, entgegnete Poppy nüchtern. „Ava sagt eine Menge.“
„Ich meine, wenn sie wüsste, dass du diesen Raum ganz allein streichst. Sie würde sagen, dass Miss Agnes nie gewollt hat, dass du die Arbeit wirklich selbst machst. Und dass wir jemanden engagieren sollten.“
Der letzte Rest von Zorn fiel in sich zusammen, und Poppy befürchtete, dass es ihr jeden Moment genauso ergehen würde. Auf einmal war sie so erschöpft, dass sie kaum noch den Kopf hochhalten konnte. „Das wäre gut.
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