Susan Mallery - Buchanan - 03
einen neuen Patienten, eine neue Familie, neue Umstände einzustellen.
Sie gab einen Löffel Teeblätter in die Kanne und wartete, bis das Wasser kochte. Als sie nach der Tasse griff, hätte sie beinah Madeline gefragt, ob sie auch eine Tasse wollte. Aber Madeline war tot.
Der Schmerz war zu stark. Er schnitt durch ihren Leib, und sie spürte, wie sie ohnmächtig wurde. Gleich würde sie auf dem Boden liegen.
Doch stattdessen fand sie sich in Reids starken Armen wieder. Sie drehte sich zu ihm um.
Dankbarkeit verdrängte den Schmerz. Sie warf sich in seine Arme.
„Du bist wieder da!“
„Ich kann nicht anders“, sagte er. „Ich wollte mich bei dir entschuldigen. Das ist alles meine Schuld. Ich bin schuld daran, dass Madeline nicht mehr lebt.“
Der Kessel pfiff. Lori ließ Reid los und schaltete die Herdplatte aus.
Seine Schuld? Wie kam er denn darauf? „Du hast nichts damit zu tun.“
„Durch mich wurde ein Spender gefunden. Deswegen gab es die Operation. Madeline wollte das alles nicht. Wenn ich nicht so hartnäckig gewesen wäre, wäre sie jetzt noch am Leben.“
Lori wusste, dass es eine sanfte, tröstende Beschwichtigung auch getan hätte. Doch dazu fehlte ihr die Kraft. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und schüttelte resigniert den Kopf.
„Ich wusste ja, dass du dich für den Größten hältst, aber das hätte ich jetzt doch nicht erwartet. Madeline ist tot, weil sie einen Herzstillstand erlitt. Nichts anderes. Und falls du nicht einen direkten Draht zum lieben Gott hast und ihn um den Tod meiner Schwester gebeten hast, muss ich dich enttäuschen: Du hast keine Schuld an ihrem Tod.“
„Aber ich ...“
„Es reicht“, sagte Lori. „Hör auf. Madeline wäre auch so gestorben, wegen ihrer Krankheit. Sie war verloren. Was weißt du davon, wie es ist, jeden Tag mit dem Gedanken an den eigenen nahen Tod zu leben? Natürlich müssen wir alle eines Tages sterben, aber für die meisten von uns ist dieser Tag ganz weit weg. Wir können ein ganz normales Leben führen. Bei Madeline war es anders. Sie wurde immer schwächer und kränker. Wie du sicher weißt, sorgt die Leber normalerweise dafür, dass der Körper entgiftet wird. Ohne funktionierende Leber stirbt der Körper an Vergiftung von innen. Ihr eigener Körper hätte sie am Ende getötet.“
Sie ließ die Arme sinken, fasste Reid aber nicht an. Sie wollte, dass er ihr zuhörte, ohne abgelenkt zu sein.
„Du hast ihr etwas gegeben, was ihr sonst keiner geben konnte, Reid. Du hast ihr Hoffnung gegeben, und nicht nur ihr, sondern uns allen. Spiel das bitte nicht herunter. Die Hoffnung ist alles, was zählt. Die Hoffnung ist einfach ein Wunder.“
„Wenn du mir also nicht die Schuld gibst, warum hast du mich dann weggeschickt?“
„Ich habe dich nicht weggeschickt“, sagte sie. „Ich dachte, du wolltest nicht mehr hierbleiben. Ich weiß, ich habe sehr viel getrauert, und ich konnte gut verstehen, dass du nicht die ganze Zeit dabei sein wolltest.“
Er sah sie böse an. „Verdammt, Lori. Warum bist du bloß so? Warum unterstellst du mir immer, dass ich nur etwas tue, was leicht ist oder mir gerade in den Kram passt? Warum glaubst du, ich würde mich beim ersten Anzeichen eines Problems aus dem Staub machen?“
Sein Ausbruch überraschte sie – und ihre Reaktion darauf ebenfalls. Irgendwie hatte sie Lust auf einen Streit. „Weil du es dir lange genug leicht gemacht hast! Wir hatten das Thema bereits. Du bleibst nicht da, wenn es unangenehm wird!“
„Das war früher so“, sagte er. „Wann habe ich bei dir jemals Reißaus genommen?“
Gute Frage. „Die Gelegenheit hattest du noch nicht.“
„Ach so. Toll. Du wartest also nur darauf, dass ich versage, ja? Weil das immer so ist.“
„So hab ich es nicht gemeint.“ Jedenfalls nicht ganz so.
„Was hast du denn dann gemeint? Wolltest du mit mir Schluss machen, bevor ich dir zuvorkomme?“
„Nein“, sagte sie. „Ich trauere gerade um meine Schwester.“
„Eine passende Ausrede.“
„Dieser Spruch kann auch nur von dir kommen, dem König der Ausreden.“
Er schüttelte den Kopf. „Erzähl mir was über mich. Natürlich habe ich es mir in meinem Leben oft leicht gemacht. Aber du hast in deinem Leben ja nicht einmal das versucht. Ich habe wenigstens etwas gewagt!“
Es war unfair von ihm, ihr die Wahrheit so knallhart ins Gesicht zu sagen. „Du weißt doch überhaupt nichts über mich“, schrie sie ihn an. „Du weißt nicht, wie es ist, im Schatten eines
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