Susan Mallery - Buchanan - 03
Form der Schwäche zugestanden. Wie konnte Lori ihr jetzt helfen?
Sie entschied sich schließlich für die Wahrheit. Sie wartete, bis Gloria aufgehört hatte zu weinen. Dann reichte sie ihr eine Box mit Taschentüchern und räusperte sich. „Sie haben recht“, sagte sie klar und vernehmlich. „Sie werden allein sterben.“
Gloria riss die Augen auf. „Das stimmt nicht“, flüsterte sie.
„Doch, das stimmt“, sagte Lori. „So wie Sie sich aufführen, wird sich garantiert niemand um Sie kümmern. Die Gefühle anderer treten Sie mit Füßen. Sie sind nie nett. Sie sind einfach nur gemein und ichbezogen.“ Sie senkte die Stimme und legte Gloria eine Hand auf den Arm. „Aber Sie können sich ändern.“
Gloria schüttelte den Kopf. „Kann ich nicht. Ich weiß nicht, wie.
„Das stimmt nicht. Sie wissen, dass es möglich ist, und Sie wissen auch, wie. Sie sind nicht dumm. Sie wissen noch, wie es ist, ein Mensch zu sein.“
Ihre Patientin starrte sie an. „Nein, das weiß ich nicht mehr. Außerdem weiß ich manchmal nicht, wofür. Sie sagen, ich soll nett zu den Menschen sein, mich um sie sorgen. Und dann werde ich von ihnen ausgenutzt. Und dazu gibt es so viele Schwachköpfe auf der Welt, die gar keine Fürsorge verdienen.“
„Mit dieser Auffassung gewinnt man keine Freunde.“
„Ich will keine Freunde haben.“
„Ach so? Warum haben Sie dann eben so geheult? Hören Sie doch auf! Kein Mensch will ganz allein sein. Jeder möchte irgendwo dazugehören. Gut, Sie sind alt und werden bald sterben. Aber Sie möchten doch, dass Sie jemand vermisst?“
Gloria öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schloss ihn aber wieder. „Ich werde nicht so bald sterben.“
„Ich glaube schon. Es sei denn, Sie geben sich ein bisschen mehr Mühe mit Ihren Übungen.“
Lori saß da in Erwartung eines Donnerwetters oder erneuter Beleidigungen. Stattdessen sah sie, wie Gloria wieder die Tränen kamen.
„Ich will nicht einsam sterben“, flüsterte sie. „Ich will nicht, dass alle mich hassen. Ich möchte, dass sie mich gernhaben.“
Lori umarmte sie. „Das weiß ich. Aber um geliebt zu werden, muss man selbst auch Liebe geben.“
Gloria gab ihr keine Antwort. Sie hielt sie einfach fest umklammert, bis sie sich schließlich zurück in die Kissen sinken ließ. Sie wischte sich das Gesicht ab und sagte dann: „Ihrer Meinung nach sollte ich mir also keine Sorgen darüber machen, ob man mich ausnutzt, weil ich sowieso nicht mehr lange da sein werde.“
„So habe ich es zwar nicht gemeint, aber wenn Ihnen diese Vorstellung hilft – bitte sehr.“
„Meinen Sie wirklich, ich kann mich ändern?“
„Wenn Sie möchten, dass Ihr Leben anders wird, ja. Es liegt völlig in Ihrer Hand. Sie müssen es selbst wissen: Liegt Ihnen wirklich etwas daran, dass Ihre Enkel Sie mögen und Sie vermissen, wenn Sie irgendwann tot sind?“
Die alte Frau nickte langsam. „Ja“, flüsterte sie, „das wünsche ich mir.“
Eine Stunde später war Gloria eingeschlafen, und Lori verzog sich ins Wohnzimmer, um ihre Gedanken zu ordnen. Sie fühlte sich, als wäre sie unter einen Zug geraten.
Ob es das Richtige gewesen war, Gloria mit sich selbst zu konfrontieren? Würde ihr emotionaler Schub eventuell ihre Genesung beeinträchtigen? Wenn es Gloria allerdings schaffte, das Verhältnis zu ihrer Familie tatsächlich zu verbessern, wäre das sehr förderlich.
Lori stand vor dem riesigen Fenster, das den Blick auf die Stadt und den Puget Sound bot. Es war einer der seltenen klaren Tage, und der Himmel war herrlich blau.
Vielleicht habe ich eben nicht nur Gloria gemeint, sondem auch mich selbst, dachte sie. Sie hatte die Wahrheit auch nie zulassen wollen. Vielleicht sollte sie ihre eigene Familie auch besser behandeln. Sie war zwar nicht gemein zu Madeline, aber sie hatte schon einige Vorbehalte gegen sie. Von den Problemen mit ihrer Mutter mal ganz abgesehen. Vielleicht sollte sie ...
„Da sind Sie ja“, sagte Reid, als er das Wohnzimmer betrat. „Ich habe Sie überall gesucht. Wir müssen reden.“
Sie drehte sich langsam um und sah ihn an. Er war wirklich einer der schönsten Männer, die sie kannte. Nicht perfekt, aber trotzdem sehr anziehend. Sie wollte sich an ihn lehnen und seinen Körper spüren. Sie wünschte sich, er würde sie in den Arm nehmen und ihre nackten Körper würden miteinander verschmelzen. Sie wollte sich ihm hingeben, atemlos vor Lust.
Aber da war auch gleichzeitig wieder diese Wut, auf sich selbst, weil sie
Weitere Kostenlose Bücher