Susan Mallery - Buchanan - 03
hilft Ihnen, das Gleichgewicht zu halten. Auch wenn Ihre Hüfte wieder zusammengewachsen ist, werden Sie Angst haben, wieder zu fallen. Das lässt Sie vorsichtig gehen. Mit dem Wissen, gut gedehnt zu sein und alle Bewegungen machen zu können, werden Sie sicherer auf den Beinen sein.“
Gloria grunzte verächtlich und ließ sich zu einer weiteren Dehnungsübung bewegen, dann stieß sie Lori weg.
„Das reicht“, zischte sie. „Ich bezahle Sie nicht dafür, dass Sie mich foltern.“
Lori hatte in der Nacht nicht gut geschlafen. Dummerweise hatte sie im Bett gelegen und sich über Sandys beiläufiges Bekenntnis geärgert.
Lori fühlte sich in vielerlei Hinsicht verletzt, aber gegen vier Uhr morgens hatte sie – wenn auch nur vor sich selbst -zugeben müssen, dass es in Wahrheit um etwas ganz anderes ging: nämlich um die Tatsache, dass Reid mit ihr nie solche Dinge tun würde.
Dafür konnte Gloria natürlich nichts, aber trotzdem hatte Lori heute einfach weniger Geduld mit ihr als sonst.
„Sie bezahlen mich dafür, dass ich Ihnen bei der Genesung helfe“, sagte Lori. „Und das tue ich.“
Gloria funkelte sie böse an. „Eines haben Sie ganz richtig erfasst: Ich bezahle Sie. Und deshalb erwarte ich ein professionelles Auftreten von Ihnen und keine sadistische Freude an meinen Schmerzen.“
Lori blieb die Luft weg angesichts dieser ungeheuerlichen Anschuldigung. „Wie war das? Sadistische Freude? Ich tue alles, was in meiner Macht steht, um Ihnen das Leben so angenehm wie möglich zu gestalten. Wer hat Ihnen die Filme bestellt, die Sie gern sehen wollten? Wer rannte vor zwei Tagen bei strömendem Regen draußen herum und hat Ihnen Ihre Lieblingseiscreme besorgt? Wer macht Ihr Zimmer sauber, sorgt für frische Blumen, bringt Ihnen Bücher und Zeitschriften und sorgt verdammt noch mal dafür, dass Sie bald wieder auf den Beinen sind?“
„Ich habe Ihnen gesagt, dass ich Fluchen in meiner Anwesenheit nicht dulde. Wenn Sie so weitermachen, fliegen Sie raus.“
„Diese Drohung hilft schon lange nicht mehr.“
„Und Ihre Inkompetenz auch nicht.“
Vielleicht lag es an ihrem Schlafmangel. Vielleicht war es die Tatsache, dass Reid jede Frau auf dem Planeten begehrte, nur sie nicht. Vielleicht war auch einfach ihre Schmerzgrenze erreicht. Jedenfalls nippte Lori aus.
„Das reicht“, sagte sie zu Gloria mit gefährlich leiser Stimme. „Ich habe mir für Sie den Arsch aufgerissen. Als ich diese Stelle annahm, haben mich alle vor Ihnen gewarnt. Sie wären eine böse alte Hexe, mit der keiner klarkommt. In der Reha-Klinik hat man mir gesagt, man könnte es Ihnen partout nicht recht machen und Sie wären ein schrecklicher Mensch. Ich habe nichts darauf gegeben. Im Gegenteil, ich habe Sie verteidigt. Was glauben Sie, was ich jetzt denke? Die Leute hatten alle recht. Sie sind genau so, wie man es mir gesagt hat. Kein Wunder, dass Ihre Enkel nichts mit Ihnen zu tun haben wollen! Ich wäre auch schon lange nicht mehr da, wenn ich hier nicht so gut verdienen würde. Ich frage Sie also noch mal: Was ist los mit Ihnen? Warum sind Sie so?“
Lori hatte noch nie so mit einem Patienten geredet. Aber Gloria hatte es nicht anders verdient. Insgeheim erwartete Lori ihren Rausschmiss, eingeleitet durch eine Tirade von Beschimpfungen.
Nichts dergleichen geschah. Gloria sagte gar nichts. Die alte Frau sah sie nur an und brach unvermittelt in Tränen aus.
Lori sah sie ungläubig an, unsicher, ob sie sie trösten oder die Flucht ergreifen sollte. Aber etwas an Glorias Tränen zeugte von Resignation und Traurigkeit. Lori machte einen vorsichtigen Schritt auf Gloria zu und setzte sich dann zu ihr aufs Bett.
Und dann nahm sie die alte Frau in den Arm. Gloria klammerte sich an sie. Sie weinte immer noch, ihr Körper zitterte bei jedem Schluchzen.
„Ich wollte das nicht“, schluchzte Gloria. „Ich weiß nicht, wie das alles gekommen ist. Ich war immer schwierig und anspruchsvoll, aber jetzt bin ich ein Scheusal. Ich höre mir selbst zu und kann nicht glauben, was ich sage. Ich wollte nie so fürchterlich werden. Ich weiß nicht, woran es liegt. So bin ich nicht. Ich kann nichts dafür. Keiner liebt mich. Keiner hat mich je geliebt. Ich bin ganz allein, und ganz allein werde ich auch sterben.“
Lori rang nach Luft. Sie fühlte sich schlecht, weil sie Gloria mit Vorwürfen überschüttet hatte, aber offensichtlich war das ja wie ein Befreiungsschlag für die alte Dame gewesen. Vermutlich hatte sich Gloria nie irgendeine
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