Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Susan Price

Susan Price

Titel: Susan Price Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Elfling Saga
Vom Netzwerk:
aufzublicken, die im Schein ihrer Altarfeuer leuchteten. Niemand von ihnen hätte gedacht, dass das Götterhaus jemals zerstört werden würde – werden könnte. Sie hatten nicht gewusst, wie inniglich sie es liebten, bis ihnen befohlen wurde, es Stück für Stück abzutragen.
    Unwin hatte befohlen, seine hölzernen Fugen auseinanderzunehmen, seine Dunkelheit dem Licht zu öffnen, die heilige Luft der Jahrhunderte hinfortwehen zu lassen. Die großen Dachbäume, die Schindeln, die Vertäfelungen, sollten alle aus der Burg gekarrt und zu Asche verbrannt werden. Es reichte nicht mehr, dass die Gemälde der Götter übermalt und die Götterstatuen zerstört wurden und christliche Gemälde und Statuen ihren Platz einnahmen. Nichts von dem alten Holz, das jahrhundertelang dem Wetter getrotzt hatte, sollte jemals wieder verwendet werden. Jede noch so kleine Spur des Götterhauses sollte vernichtet und den Kindern gesagt werden, dass dort Dämonen gehaust hatten. Deren Kindern würde man beibringen, dass es nie existiert hatte.
    Viele Waliser schauten zu. Es geschah nicht oft, dass ein Gebäude solcher Größe und Bedeutung abgerissen wurde. Zwischen ihnen standen deprimiert dreinblickende Dänen. Sie verehrten ihre Götter in Gotteshäusern, die diesem sehr ähnlich sahen: Die Götter, die hier entehrt wurden, waren auch ihre Götter, wenn auch mit leicht anders klingenden Namen.
    Kendidra stand neben Unwin. Er hatte sie mitgezerrt. Sie schluchzte und vergrub ihr Gesicht in ihren Händen. Godwin dachte nur: Dumme Frau! Sie hob ihren Kopf, als ein Haufen Schindeln auf den Boden krachte, und er sah die dunkel verfärbte Haut um ihr Auge und ihre aufgeplatzten und geschwollenen Lippen. Dumme, ungeschickte Frau! Sie war in den Bettpfosten gelaufen, hatte sie gesagt, als er sie fragte, was geschehen sei.
    Kendidra hatte das Götterhaus geliebt. Als sie ihre Kinder zu den Altären geführt hatte, hatte sie ein Gefühl der Sicherheit empfunden, dass sie lange genug leben würden, um auch ihre Kinder hierher bringen zu können, und dass eine Erinnerung an sie im Rauch des Götterhauses verbleiben würde. Aber nun wurde das Götterhaus abgerissen, ihre Kinder wurden ihr weggenommen, und Elfling war Abfall, der in den Graben der Burg geworfen worden war. Wie schnell sie ihm geglaubt hatte, und wie leicht sie sich hatte täuschen lassen. Ihre Schande ließ sie nur noch lauter schluchzen, und mit Entsetzen stellte sie fest, dass sie nicht aufhören konnte.
    Godwin seufzte, als er seine Mutter immer noch weinen sah, und wäre zu ihr hinübergegangen, egal, wie dumm sie war. Doch bevor er sich bewegen konnte, hatte sein Vater seine geballte Faust in ihr Gesicht geschlagen. »Hör auf zu heulen!«
    Sie versuchte, aufrecht zu bleiben, ging einige schnelle, stolpernde Schritte, fiel dann aber auf die Knie und prallte mit den Händen auf den Boden. Godwin rannte zu ihr und half ihr auf. Die Erkenntnis, dass seine Mutter nicht gegen den Bettpfosten gefallen war, erschien ihm wie ein Schlag ins eigene Gesicht.
    »Lass sie in Ruhe!«, sagte Unwin und winkte Godwin zu sich. Unwin legte ihm die Hand auf die Schulter. Godwin wandte sein Gesicht von seiner Mutter ab. Sie war eine dumme Frau. Und noch schlimmer als eine Heidin: Sie war eine Abtrünnige.
    Kendidra wankte, stand aber auf. Ihr Kopf schmerzte. Die Leute wichen vor ihr zurück. Niemand würde sich einmischen. Sie war Unwins Ehefrau. In der letzten Nacht hatte er ihr gesagt und gezeigt, dass sie noch seine Frau war. Er kümmere sich nicht darum, welche heidnischen Worte sie von sich gegeben hatte, meinte er. Vor Christus gab es keine Auflösung der Ehe, sagte er.
    »Jetzt, wo ich König bin«, hatte er gesagt, »werde ich zu Ehren meiner Mutter ein Kloster gründen – und dort wirst du den Rest deines Lebens verbringen. Du wirst als meine Frau sterben und in meiner Kirche begraben werden.«
    Ihr Kopf hatte nach seinen Schlägen gepocht und geschmerzt, und Blut war ihr das Gesicht hinabgelaufen. Sie hatte es nicht gewagt, etwas zu sagen, denn sie hatte Angst davor, dass er sie umbrachte, wenn er sie noch einmal schlug. Aber seitdem waren Stunden vergangen, Stunden, in denen sie sich hatte fragen können, wie viel Zeit ihr zwischen dem Betreten des Klosters und ihrem Begräbnis bleiben würde. Vielleicht ein Jahr? Zeit, um ihrer Familie mitteilen zu lassen, dass sie eine fromme, christliche Priesterin geworden sei – und dann würde sie plötzlich sterben und mit den königlichen Ehren

Weitere Kostenlose Bücher