Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Susan Price

Susan Price

Titel: Susan Price Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Elfling Saga
Vom Netzwerk:
über allen, hervorgerufen durch die Erinnerung an die Schwerttänzer, doch ob es aus einem Schuldgefühl heraus oder aus Abergläubigkeit geschah, das wusste Ingvald nicht zu bestimmen.
    »Habt ihr seinen Schrei gehört?« Sie hatten ihn alle gehört. Der Sprecher beugte sich vor, und alle Männer kamen näher. »Wie Ing vor den Speeren.«
    »Ja«, sagten sie und tauschten untereinander Blicke aus. »Ja, genau …«
    »Loverns Männer konnten ihn nicht besiegen. Das war irgendein christlicher Zauber, der ihn besiegt hat.«
    Ingvald weigerte sich, wie sie zu flüstern. »Oder Odin hat ihm das Vertrauen aufgekündigt – was er mit uns allen tun wird.«
    Das war nicht, was sie denken wollten, und sie schwiegen, bis jemand »Christen!« ausspuckte.
    »Ihm das anzutun!«, brach es aus Ingvi hervor. »Ihn wie ein Schwein abzuschlachten! Eine Schande!«
    »Hast du, mein lieber Bruder, nicht diesem Gefolgsmann von – wo war das noch mal – den Blutadler in den Rücken geschnitten?«, fragte Ingvald.
    Peinlich berührt errötete Ingvi, was seine ohnehin dunkle Haut noch düsterer wirken ließ. »Das war für unseren Erfolg in der Schlacht – und als Dankesgabe!«
    »Aber nun missgönnst du Odin sein bestes Opfer, den gefangenen König?«
    Ingvi wusste darauf keine Antwort, doch einer der Männer sprang für ihn ein. »Unwin hätte den Adler verdient gehabt!«
    »Also«, fasste Ingvald zusammen, »würdest du nicht nur deinen Eid gegenüber deinem Anführer brechen, du würdest ihn auch noch umbringen?« Die nächsten Worte schrie er in den Saal. »Was denn? Wart ihr alle in diesen Elfling verliebt? Warum seid ihr alle wegen ihm so aufgeregt? Er war bloß ein Bauer und außerdem noch ein Bastard – kaum mehr als ein Leibeigener. Über Leibeigene zerbrichst du dir doch normalerweise nicht den Kopf, kleiner Bruder. Wie viele Leibeigene und Bauern hast du seit Kriegsbeginn schon getötet?«
    »Werdet Ihr etwa Christ?«, fragte einer der Männer, wandte sich aber schnell ab, als Ingvald ihn schräg von der Seite ansah.
    Ingvi sprang von der Bank auf, um über Ingvald zu stehen. »Er war der Sohn des alten Königs und der Auserwählte der Göttin und ein Elfensohn!«
    Selbst der beschämte Mann hob wieder seinen Kopf, und sie nickten alle und pflichteten ihm bei. Sie alle kannten das Lied über die wunderschöne Elfenfrau, die Mutter Elflings, und die Geschichte, wie der Stein für ihn geschrien hatte. Unwin mochte ihn als Teufel bezeichnen, aber die Dänen wussten, dass die Elfen die Geister der Felder, Wälder, Flüsse und Berge waren, und die Macht ihrer Zauber war denen der Götter fast ebenbürtig.
    Ingvald seufzte. »So sagt man. Aber eines habe ich mit Sicherheit gelernt: Jede Geschichte wird mit jedem Erzählen länger, und ihr seid genau solche Dummköpfe wie die Dichter. Ein hübsches Gesicht, und schon ist es aus mit euch.«
    »Also bist du auf Unwins Seite!«, rief Ingvi.
    Ingvald stand auf, packte ihn am Kragen und schüttelte ihn. »Ich habe Unwin Eadmundssohn nie gemocht. Ich wollte mich nie mit ihm einlassen. Das ist deine Schuld – und die von Lovern. Aber ich habe mein Wort aus freien Stücken gegeben, und ich werde es auch halten. Du! Ja, genau, du! Was willst du?«
    Seit einigen Minuten hatte sich ein Neuankömmling hinter den Männern herumgedrückt, der offensichtlich Neuigkeiten zu überbringen hatte, sich aber nicht traute, sie zu stören. Als sich alle Augen auf ihn richteten, sagte er: »Die Leiche des Elfengeborenen! Sie ist aus dem Graben verschwunden!«
    Ingvis Kopf drehte sich blitzschnell zu seinem Bruder um, und alle starrten Ingvald an, als ob diese Neuigkeit ein bedeutsames Ereignis wäre.
    »Schaut euch eure Gesichter an!«, lachte Ingvald. »Was habe ich bloß getan, um von solchen Hohlköpfen umgeben zu sein! Die Leiche wurde gestohlen, um sie ordentlich zu beerdigen. Mögen die Götter denen ihre Gunst erweisen, die das getan haben – und mögen die Götter ihnen beistehen, wenn Unwin davon erfährt!«
    Der Wächter öffnete Unwin die Tür, die in das kleine Zimmer führte. Am hohen Fenster waren die Läden geschlossen und ließen nur wenige dünne Lichtstrahlen herein. Nur eine Kerze brannte in ihrem Ständer und warf ein vages flackerndes Licht auf den Holzboden und die Wände. Die Ecken lagen im Schatten.
    In der Raummitte bewegte sich ein Klumpen aus Dunkelheit – ein sich erhebender, Schwarz tragender Priester. Unwin blieb mit verschränkten Armen stehen und schaute auf die

Weitere Kostenlose Bücher