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Susan Price

Susan Price

Titel: Susan Price Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Elfling Saga
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und hatte Angst. Sie war sich nicht einmal sicher, zu wem sie gebetet hatte – Christus oder Woden oder Ing. Und noch weniger wusste sie, wer ihr geantwortet hatte.
    »Das Grab ist allen Menschen verhasst«, sagte der Einäugige. »Euer ganzes Leben lang erwehrt ihr euch des hochbetagten Weibs, des Alters, und selbst den Stärksten ringt es nieder. Doch der Segen des Grabes lautet: Sei mutig, und dein Ruhm wird einer Fackel gleich denen den Weg leuchten, die nach dir kommen.«
    Elfling wollte seinen Kopf schütteln, um dies zu verneinen, aber er konnte sich weder bewegen noch sprechen. »Ich gebe dir diese Rune«, sagte der Einäugige und zeichnete mit dem Zeigefinger seiner freien Hand auf Elflings Stirn.
    Ebba verfolgte die Bewegung mit ihren Augen und erkannte die Rune: die Form eines Diamanten, mit kleinen Linien nach unten und oben. Die Rune Ing. Sie sprach die Bedeutung der Rune aus, wie es ihr Ud beigebracht hatte.
    »Jeden Winter verlässt uns Ing und überquert die Straße der Wale. Doch Knochenfeuer und Freude und brennende Stechpalmen erwecken ihn aus seinem Schlaf im Eis, und er kehrt mit Weizengarben in seinen Armen zu uns zurück. Er ist es, Ing, der die Runen des Frosts löst und den Winter vertreibt: Er ist es, der das Gras auf die Felder bringt und die Bäume begrünt.«
    Der Einäugige ließ Elflings Kopf herab, und Elfling konnte ihn nicht heben, konnte die Seile, die ihn fesselten, nicht sprengen und sich nicht aus der Umklammerung des Grabes befreien.
    Meine Gebete wurden erhört, dachte Ebba erneut und starrte mit verschränkten Händen in ein entsetztes, vollkommenes Erstaunen.
    Von draußen waren lautes Kreischen und Schreie zu hören. Ud zog Ebba mit sich in eine Ecke und verschmolz mit den Schatten.
    Die Saaltür wurde aufgestoßen, und Wächter trieben Menschen hinein, stießen sie gegen Tische und Stühle. Kendidra wurde zur Seite gezerrt, stolperte, und versuchte, nah an den Ehrentisch zu gelangen. Sie sah Elfling an den Dachbaum gefesselt und wandte schnell ihren Blick ab, als sie an der Wand hinter dem Podest das schwarze Schwert sah: Wodens Versprechen. Der Anblick schnürte ihr die Kehle zu. Wodens Versprechen wurden immer gebrochen.
    Wulfweard wurde zum Podest gebracht und von vier Walisern zu Boden geworfen. Er kämpfte sich auf die Beine, blieb aber ruhig stehen. Kendidra sah, wie er nach Luft rang, als er sich im Saal umschaute, die Menschenmenge zu seinen Füßen betrachtete, die Dachsparren, die Wände, als ob er diesen Ort noch nie zuvor gesehen hätte. Auch für Kendidra hatte sich der ihr vertraute Saal verändert – von einem Ort der Ordnung und des Anstands zu etwas Merkwürdigem, Angsterregendem. Die Luft knisterte vor Angst, kratzte an ihrer Haut, zerrte an ihrem Körper. Unwins Nordwaliser standen an der Tür und an den Wänden und lachten.
    Die Menschen, die im Saal zusammengepfercht waren, schoben sich gegenseitig hin und her im Versuch, einen Platz für die eigenen Füße zu finden, versuchten, nicht in die Feuer gestoßen zu werden, aber als sie Elfling erblickten, schrien sie wie ein Mann. Sie drängten nach vorne, in Richtung des Podests. Die Wächter warfen sich mit ihren Schilden auf die Menge und schoben sie zurück.
    Der Lärm und die Bewegung fanden ein Ende, als Unwin das Podest betrat. In seiner blutverschmierten Hand hielt er ein blutverschmiertes Objekt, das Kendidra in demselben Augenblick erkannte, als sie sich abzuwenden versuchte: Athelrics Kopf.
    Unwin hielt den Kopf hoch, bis Totenstille eingetreten war, bis man sogar hören konnte, wie Flammen sich begierig durch Holz fraßen. Ein lautes Ausatmen oder ein über Stroh kratzender Fuß klangen in dieser Stille erschreckend laut.
    Dann sprach Unwin. »Ein König sollte seine Versprechen halten und seine Eide ehren. Ich habe geschworen, den Verräter zu töten, der mir die Krone vorenthalten und meinen Bruder getötet hat –«
    »Lügner!« Unwin wurde vor Wulfweard durch seine Wachen geschützt.
    »Meinen Bruder Hunting –«
    »Lügner! Hunting hat –«
    Unwin wandte sich an die Wachen. »Stopft ihm das Maul.«
    Ein Wächter brachte Wulfweard mit einer Handvoll Mantel zum Schweigen, andere hielten ihn an den Armen fest. Die Menge schaute zu und verstand, dass nicht einmal die königliche Familie sicher war.
    »Ich habe geschworen, die rechte Hand und den Kopf des Verräters zu nehmen«, sagte Unwin. »Ich halte meine Versprechen.« Er ließ den Kopf auf das Podest fallen. Jeder hörte seinen

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