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Susan Price

Susan Price

Titel: Susan Price Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Elfling Saga
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bestattet werden, die ihre Brüder erwarteten. Unwin würde wieder heiraten: irgendeine christliche Prinzessin von der anderen Seite des Meeres.
    Wie kann ich nur meinem Bruder eine Nachricht zukommen lassen? fragte sie sich. Wem kann ich trauen, eine solche Nachricht zu überbringen? Wen kann ich darum bitten, sich in eine solche Gefahr zu begeben? Sie schaute sich um und betrachtete die Männer, die betont viel Abstand von ihr hielten – und dann sah sie ihren eigenen, ältesten Sohn neben seinem Vater, mit dem Rücken zu ihr. Wut kochte in ihr hoch, ließ ihr Gesicht erröten und es in ihrem Kopf schmerzhafter pochen. Warum? Warum hatte Elfling sich nicht als der Auserwählte der Göttin erwiesen, sondern nur als der Jüngling, der er war?
    Ein lautes Krachen und Beben unter ihren Füßen schreckte sie auf. Die große Tür des Götterhauses – aus Eiche, mit ineinandergreifenden Drachen, Wölfen und anderen grausamen Kreaturen verziert – war aus ihren Scharnieren gerissen und zu Boden geworfen worden. Männer standen nun auf der Tür, und ihre Stiefel beschmutzten die Schnitzereien auf der Innenseite. Sie hackten mit Äxten auf sie ein und zerstückelten sie in Teile, die klein genug für den Karren waren. Kendidra traute sich nicht, ihren Platz zu verlassen, bis Unwin ihr dazu die Erlaubnis erteilte, aber sie senkte erneut den Kopf, bis sie nichts mehr sehen konnte.
    »Was seid ihr?«, fragte Ingvald. »Milchmädchen? Was habt ihr erwartet, als ihr in den Krieg gezogen seid?« Er saß auf einer Bank im Saal seiner Unterkünfte, wo er jeden Tag Ratsversammlungen abhielt, um Streitereien zwischen den Männern zu schlichten, kleine Belohnungen auszuteilen, Lob und Tadel auszusprechen. Aber nun stand eine Abordnung vor ihm, die ihn dazu drängte, ausgerechnet seinen Schwur gegenüber Unwin zu brechen. Und Ingvi führte die Abordnung an.
    »Du!«, sagte Ingvald und zeigte auf seinen Bruder. »Du hast den Raben gefüttert, du hast den Wolf gespeist – wolltest du das etwa nicht? Was flennst du also nun?«
    Die anderen Männer blieben im Hintergrund, Ingvi aber beugte sich über seinen Bruder und fragte ihn: »Gefällt dir etwa, was hier getan wird? Von diesem – Christen?« Die Männer nickten mit verschränkten Armen und murmelten Zustimmung in ihre Bärte. Niemand von ihnen sprach das deutlich aus, bemerkte Ingvald. Das überließen sie Ingvi.
    » Du bist der Freund der Christen, Bruder«, antwortete Ingvald. »Warst du es nicht, der damals wütend auf mich war, weil ich nicht schnell genug an die Seite Unwins gerannt bin, in die erste Schlachtreihe? War er nicht der großartige, stolze Atheling, der Rache für seinen Bruder nehmen wollte? Und ich bloß ein geiziger Bauer, weil ich nicht für ihn kämpfen wollte?«
    Ingvi ließ sich auf das Ende der Bank fallen. »Ich war im Unrecht.«
    Ingvald schlug ihm auf den Rücken. »Es hat sich gelohnt, in den Krieg zu ziehen, um das zu hören!« Einige der Männer lachten.
    »Unwin hat den Julfrieden gebrochen!«, rief jemand, und viele pflichteten ihm lautstark bei.
    »Und nicht im ehrlichen Kampf«, sagte ein anderer. »Er hat unbewaffnete Leute in einen Hinterhalt gelockt!«
    Ingvald deutete auf den Mann, der gesprochen hatte. »Du hattest deine Axt dabei! Du hast angegriffen!«
    Der Mann breitete seine Arme aus und rief: »Ich habe Unwin einen Eid geleistet! Was sollte ich tun – meinen Eid brechen?«
    »Und trotzdem erwartet ihr, dass ich genau das tue«, meinte Ingvald.
    »Nun«, sagte der Mann und blickte dabei zu Boden, »Ihr seid ein Jarl. Es ist was anderes, wenn Ihr es tut.«
    Er hatte sich damit einige Lacher verdient, doch ein Dritter unterbrach die gute Stimmung und sagte, fast vorwurfsvoll: »Ihr habt die beiden auf dem Gräberfeld doch gesehen!«
    Das Lachen fand ein abruptes Ende. Köpfe hoben sich. Sie schauten sich gegenseitig an, und aus vielen Mündern kam ein »Ja, natürlich«. Ingvald erkannte den eigentlichen Grund für ihre Anwesenheit: Die Erinnerung an die beiden auf dem Gräberfeld, die in der Dunkelheit und dem Fackellicht aussahen wie die geisterhaften Krieger an den Wänden des Götterhauses.
    »Wie sie gekämpft haben –«
    »– der eine schützte den anderen –«
    »– wie die Auserwählten Odins –«
    »– die Brüder –«
    »– schlugen sie zurück, nicht nur einmal …«
    Die Männer scharrten unruhig mit den Füßen, wichen den Blicken der anderen so schnell aus, wie sie den Augenkontakt herstellten. Es lag ein Unbehagen

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