Susan Price
über die noch glimmende Asche auf den Hof zu gehen und die Hitze von den noch stehenden Wänden besser zu ertragen als die Dorfbewohner, die nach ihnen kamen.
Sie wechselten sich bei der Durchsuchung der Ruinen ab. Sie rissen ein, was von den Wänden noch stand, und stießen so im Haus auf das, was von den Leichen noch übrig war. Im Hof lagen weitere Leichen; sie waren weniger verbrannt, aber vom Feuer nicht verschont geblieben. Bei diesen waren Waffen, welche die Männer des Lehnsherrn mit ihren dicken Lederhandschuhen aufheben und mitnehmen konnten.
In einiger Entfernung sammelten sich die Männer, um die Dinge zu prüfen. Sie drehten einen Helm um. Er war zerbeult und hatte seinen Glanz verloren, aber kein gewöhnlicher Helm besaß eine Maske, auch keine Juwelen, die das Licht einfingen, wenn man die Asche mit dem behandschuhten Daumen wegrieb. Obwohl der Schild teilweise verbrannt war, sah man noch die goldenen Drachen und den mit Gravur versehenen Buckel. »Das ist die Wehr eines Fürsten«, erklärte Thane Alnoth. Und alle schauten zu den Ruinen hinüber und den Leichen, die darin lagen.
Wieder in Brierley, zwangen sie die verängstigte Ebba, ihre Geschichte noch mal zu erzählen. Thane Alnoth hörte aufmerksam zu. Viele erinnerten ihn eifrig an das, was er bereits wusste: dass der Besitzer des verbrannten Hofs Elfling, bekannt als Hildssohn, ein Königssohn war, wenngleich ein unehelicher. Das Rätsel war nicht allzu schwer: ein König, gerade verschieden, und ein Angriff auf einen seiner Bastardsöhne durch eine Schar Männer, die wie Königliche ausgestattet und von einem geführt worden waren, dessen Helm und Schild einem Atheling entsprachen …
Thane Alnoths erster Gedanke war, heimzureiten und so zu tun, als wisse er nichts von dieser Angelegenheit. Wenn ein König starb, folgten unweigerlich Mord und Totschlag innerhalb der Königssippe. Wenn man ein Herr von hohem Stand war, eng mit dem Königshaus verbunden, dann wählte man sorgfältig eine Seite und hoffte, es würde die Siegerpartei sein. War man jedoch nur ein kleiner Lehnsherr über ein paar Dörfer, dann war es am besten, sich still zu verhalten und zu hoffen, der Ärger würde an einem vorbeigehen.
Doch der Ärger war zu ihm gekommen. Wenn seine Annahme richtig war, dass in diesem abgebrannten Hof ein toter Atheling lag, würde früher oder später die überlebende königliche Sippe von ihm eine Erklärung verlangen. Wenn der Verdacht aufkam, dass er etwas zu verbergen hatte, oder auch nur, dass er nichts unternommen hatte, obwohl es seine Pflicht gewesen wäre, dann war sein Land, vielleicht auch sein Leben in Gefahr. Deshalb hielt er es für das Beste, wenn er mit all seinem Wissen selbst zum Königshaus ging.
»Ich nehme das Mädchen mit«, erklärte er und wartete nicht einmal, bis Eaditha ein altes Kleid für Ebba herausgesucht hatte. In einem Dorf, das so arm wie Brierley war, konnte das eine Ewigkeit dauern. »Sie kommt mit, wie sie ist«, sagte er. »Ich sorge für Kleidung.«
Man hob Ebba, so wie sie war, immer noch in der mit dem Seil zusammengehaltenen Decke, hinter einem der Männer des Lehnsherrn auf ein Pferd. Das war der Anfang einer Reise, deren Ziel die Königsburg war.
ATHELINGSGOLD
Ebba hatte ihr gesamtes Leben auf Elflings Hof verbracht und war nur gelegentlich in ein kleines Dorf wie Brierley gegangen. Die Königsburg, umgeben von einer Palisade und einem Graben, daneben das Götterhaus mit eigener Palisade, war die größte Ansammlung von Menschen und Gebäuden, die sie je gesehen hatte. Sie hätte sich nie vorstellen können, dass man ein so großes Gelände einzäunen konnte oder dass die Gebäude so riesig sein konnten oder dass es überhaupt so viele Menschen gab.
Eine hohe Wand aus Holz, strahlend weiß gekalkt und so gebaut, dass Männer drinnen auf einem Wehrgang umhergehen und Wache halten konnten. Die Sonne schien auf ihre Helme. Ein Damm führte über einen tiefen Graben mit steilen Wänden zu einem riesengroßen Tor, einem Tor, das höher und breiter war als die meisten Häuser, die sie kannte. Und auch auf dem Tor standen Männer und blickten herab.
Thane Alnoths Schar ritt über die Brücke und erhielt von den Wachen die Erlaubnis, das Tor zu passieren. Ebba, die hinter einem der Männer saß, erschauderte, als das Tor über ihnen war, weil sie Angst hatte, es würde auf sie herabfallen. Sie begriff nicht, wie so ein mächtiges Ding sicher sein konnte.
Direkt hinter dem Tor klapperten die Hufe
Weitere Kostenlose Bücher