Susan Price
Feuers, wo sie stand. Es war ein kalter Tag, und es würde ein kurzer Tag werden. Die Wölfe kamen vielleicht nicht so nahe ans Feuer; aber sie würden kommen. Du musst fort von hier, sagte sie sich immer wieder. Du kannst hier nicht bleiben.
Aber sie blieb. Sie hatte Angst. Sie konnte sich nicht erinnern, jemals nicht auf diesem Hof gelebt zu haben, wo sie Essen und Kleidung bekam und Hild ihr sagte, was sie zu tun hatte. Obgleich sie den Leichnam gesehen hatte, fiel es ihr schwer zu glauben, dass Hild tot war. Noch schwerer war es zu begreifen, dass Elfling sie verlassen hatte.
Am liebsten hätte sie sich einfach auf den Boden gesetzt oder gelegt und getrauert. Die Trauerlast auf ihrem Rücken war zu schwer für sie, um sie irgendwohin zu tragen. Elfling war fort, hatte sich hinter der fremden Frau aufs Ross geschwungen und war verschwunden. Und Hild war tot. Ebba erinnerte sich, wie Hilds Leiche vom Haufen geglitten war, und fühlte mit der Hand, ob ihr eigenes Herz noch pochte. Nie zuvor war ihr so klar gewesen, wie schnell dieses Pochen beendet werden konnte. Sie hatte nichts. Kein Heim, keine Familie, keine Sicherheit. Es gab nirgendwo mehr Sicherheit – abgesehen vielleicht vom Feuer. Sie sollte sich ins Feuer stürzen und verbrennen. Das war besser, als allein und unerwünscht zu sein – und besser, als in ständiger Angst zu leben.
Sie stand da, starrte in die Flammen und bemühte sich, den Mut aufzubringen, sich hineinzustürzen. Aber sie war nie tapfer gewesen, deshalb wich sie auch jetzt ein weiteres Stück von dem brennenden Haus zurück.
Als die Männer aus Brierley kamen, fanden sie Ebba auf dem Boden liegend, gerade am Rand des Feuerhauchs. Sie hielten sie für tot, bis sie sich plötzlich aufsetzte, als die Männer näher kamen. Dann umringten sie das Mädchen und fragten: Was ist geschehen? Bist du verletzt? Wie hat das Feuer angefangen? Wo waren alle anderen?
Ebba saß da, immer noch in die alte Decke gewickelt, und bemühte sich zu antworten, aber ihr Mund brachte nichts Zusammenhängendes hervor. Was war geschehen? Das wusste sie eigentlich gar nicht.
»Sie haben das Haus angesteckt …«
»Wer?«
»Sie haben alle umgebracht …«
»Wer?«
»Elfling ist weg, einfach verschwunden …«
»Wohin ist er gegangen? Mit wem?«
Addi, der Dorfälteste von Brierley, sah, dass das Mädchen nicht bei klarem Verstand war. »Ist schon gut, meine Liebe«, beschwichtigte er sie. »Jetzt ist ja alles gut.« Krampfhaft versuchte er, sich an ihren Namen zu erinnern. Er kannte sie oberflächlich als eine von Elflings Mägden. Er schaute seine Männer an. »Seht euch mal um.« Sofort machten sich die Männer auf die Suche nach etwaigen Überlebenden auf dem Hof, wobei sie sich aus der Reichweite der Flammen und der sengenden Hitze hielten. Ruß und brennendes Stroh flogen umher. Der brennende Hof schrie auf, als die Balken brachen und ein Raub der Flammen wurden.
Addi holte aus einem Beutel an seinem Gürtel ein Stück Seil, das er stets mit sich trug. Er half Ebba auf die Beine und machte aus dem Strick eine Art Gürtel, um die Decke zusammenzuhalten, die sie um sich geschlungen hatte. Dabei blickte er über ihre Schulter in die Feuersbrunst. Alles brannte so lichterloh, dass sie es unmöglich löschen konnten. Sie konnten keine näheren Nachforschungen betreiben, ehe nicht alles ausgebrannt war. Ein Wagen stand außerhalb des Hofs. Eigenartig. Und jetzt hatte der Wagen auch Feuer gefangen, und seine gesamte Ladung war verloren.
Addi lächelte Ebba beruhigend zu, nahm seinen alten Umhang aus gewebtem Gras und legte ihn ihr um die Schultern. Ihm war nach dem Marsch vom Tal warm, und er brauchte den Umhang nicht so notwendig wie dieses arme kleine Ding.
Die anderen Männer kamen zurück. »Es sind noch ein paar Schafe da«, sagte einer. »Und diese Ziege.« Ein Mann hielt die Ziege an der Leine. »Dann sind da noch eine Kuh und ein paar Schweine.«
»Nehmt die Ziege mit«, sagte Addi. »Da wir hier nichts tun können, gehen wir zurück, auch um das arme Mädel an einen warmen Ort zu bringen.«
»Was ist, wenn die Bäume Feuer fangen?«, fragte einer der Männer und blickte in das Flammenmeer.
»Bei diesem Wetter? Viel zu nass. Wir können wiederkommen, wenn alles ausgebrannt ist.«
Auf dem Weg durch das Tal zu der kleinen Ansiedlung Brierley versuchten einige Männer, Ebba erneut zu befragen, aber Addi gebot ihnen Schweigen. »Lasst sie in Ruhe. Sie wird uns alles erzählen, sobald sie dazu
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